«Das ist doch allen schon mal passiert, dass die Menstruation kommt und man merkt: Mist, ich habe nicht das dabei, was ich brauche!» Die 18-jährige Gymnasiastin Justine Delieutraz ist darum aktiv geworden. Zusammen mit einer Schulkollegin hat sie an der Emilie-Gourd-Schule in Genf eine Sammelaktion für Binden und Tampons gestartet, die nun gratis in den Toiletten zur Verfügung stehen.
«Es ist nie besonders angenehm, wenn die Regel einsetzt», sagt die 17-jährige Inès Malka-Forster. «Man fühlt sich unwohl, wenn man danach fragen muss.» Darum sei das Angebot wohl auch so gut angekommen. Die Hygieneprodukte stünden allen offen – gehamstert werde trotzdem nicht.
Und wenn doch jemand mehr als eine Binde oder ein Tampon auf einmal mitnehme? «Ich glaube, dann macht die Person das nicht einfach so», sagt Inès. «Das heisst, dass sie es braucht. Und dafür ist die Gratis-Abgabe ja auch gedacht.»
Wenn der Kanton den Tampon bezahlt
Während es in Genf handbemalte Boxen sind, in denen die Binden und Tampons aufliegen, sind es im Kanton Waadt industriell gefertigte Dispenser, die neu in einem breit angelegten Pilotprojekt an fast der Hälfte der Schulen des Kantons getestet werden.
Die Nachfrage der Schülerinnen sei gross – entsprechend motiviert seien die Schulen gewesen, am Projekt teilzunehmen, erklärt Staatsrätin Cesla Amarelle (SP). Es gehe aber um weit mehr, als um die reine Gratis-Abgabe. «Es geht darum, ein Tabu zu brechen», so Amarelle. Und es gebe auch in der Schweiz Mädchen und jungen Frauen, die die Hygieneartikel nicht bloss vergessen würden, sondern sie sich nicht leisten können – ein Problem, das in der Schweiz bisher wenig bekannt sei.
Cesla Amarelle will das ändern: «Das Projekt ist auch ein politisches Signal, dass der Kanton Waadt das Problem der Periodenarmut ernst nimmt.» Es könne nicht sein, dass Mädchen und junge Frauen deswegen in der Schule abwesend seien und schlimmstenfalls abhängten.
Im Kanton Bern hat das bürgerlich geprägte Parlament schon vor einem Jahr Nein gesagt zur Gratis-Abgabe von Binden und Tampons an Schulen. Auch die FDP stimmte geschlossen dagegen. Für den Parteipräsidenten Stephan Lack sind die Intim-Hygiene und die Hygieneprodukte nicht Sache der öffentlichen Hand. Sie seien Teil der individuellen Verantwortung – eines Mädchens und seiner Familie.
«In der Westschweiz ist man wegen des Einflusses von Frankreich grundsätzlich staatsgläubiger», so Lack. Und falls sich jemand wirklich keine Hygieneprodukte leisten könne, so solle diesen Personen und Familien in ihrer Armut direkt geholfen werden.
Diskussionen dank der Bindenschachtel
In der Westschweiz hingegen will man die Hygieneartikel nicht nur in den Schultoiletten frei zugänglich machen – sie seien auch der Weg, um das Thema zu enttabuisieren, zusammen mit Sensibilisierungsmassnahmen.
Zumindest in Genf hat das funktioniert, wie Lehrer Miguel Angel Vidal von der Genfer Schule Emilie-Gourd erzählt: «Ich habe beobachtet, wie die Schüler an der Sammelbox mit dem Infomaterial angehalten haben. Zuerst haben sie nur geschaut, später diskutiert, und dann brachten sie selber Hygieneartikel vorbei – und zwar Mädchen wie Jungen.»