Lisa Mazzone will Präsidentin der Grünen werden – alleine, nicht im Co-Präsidium. Im Gespräch erzählt die Genferin, warum sie ihre Abwahl aus dem Ständerat als Chance sieht und wie sie die Basis wieder in den Fokus rücken will.
SRF News: Es gab Stimmen in der Partei, die sich eine Co-Leitung der Grünen gewünscht hätten. Warum wollen Sie das Amt alleine ausüben?
Ich kenne die Politik, vor allem die Bundespolitik. Als Romande weiss ich sehr gut, dass sie vor allem in der Deutschschweiz gemacht wird. Ich möchte eine Rolle spielen und Einfluss nehmen. Mit einem Deutschschweizer Pendant an der Parteispitze würde ich als Romande in den Schatten gestellt werden.
Sie sind also eine Grüne mit Sinn für Macht?
Das kann man so sagen. Ich glaube, wenn man einmal im Parlament war, hat man zwangsläufig einen Sinn für Macht.
Diesem Sinn nachzugehen, wäre einfacher, wenn Sie im Parlament wären. Wie wollen Sie trotzdem Einfluss nehmen?
Es kann auch eine Chance sein. Wir wollen tiefgreifende Veränderungen. Aus der Distanz kann es einfacher sein, diese herbeizuführen. 2019 hat sich unsere Delegation im Bundeshaus massiv vergrössert. Das gab uns mehr Möglichkeiten, Kompromisse zu finden, Brücken zu bauen – was wir auch getan haben.
Ich glaube, dass es wichtig ist, die Rolle der Fraktion und die der Partei zusammenzubringen.
Wir waren aber stark mit uns selbst beschäftigt. Dabei die Basis nicht aus dem Fokus zu verlieren, ist schwierig. Das will ich ändern. Ich will mit den Menschen sprechen. Viele sind ungeduldig und erwarten von der Politik, dass mehr getan wird.
Wie wollen Sie konkret den Kontakt zur Basis wiederherstellen?
Ich hatte die Gelegenheit, mit dem deutschen Vizekanzler Robert Habeck zu sprechen, der in der gleichen Situation war. Ein Parteivorsitzender, der nicht im Bundestag politisierte. Ich fand seine Ausführungen sehr interessant. Er hat erzählt, wie er Kommunalwahlen begleitet hat und dabei in verschiedenen Milieus ein anderes Gesicht der Grünen zeigen konnte. Das brauchen wir auch in der Schweiz. Den Leuten zeigen, wie vielfältig wir Grünen eigentlich sind.
Die Situation von Robert Habeck war etwas anders. Er war in einem Co-Präsidium mit Annalena Baerbock, die sehr wohl im Bundestag politisierte und damit Zugang zu Macht und Informationen hatte.
Das stimmt, bei uns wird das anders sein. Ich werde eng mit unserer Fraktionsvorsitzenden Aline Trede zusammenarbeiten. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Rolle der Fraktion und die der Partei zusammenzubringen. Ich bin überzeugt, dass uns das gelingen wird.
Es ist nicht mein Ziel, ständig vor der Kamera zu stehen und Interviews zu geben.
Nach einem Entscheid im Bundeshaus wollen die Medien oft die Parteispitze vor der Kamera, um das Geschehen zu kommentieren. Sie sind dann aber vielleicht nicht in Bern, wie wollen Sie das handhaben?
Es gibt viele grüne Stimmen im Bundeshaus, die vor der Kamera etwas sagen können. Die Vielfalt unserer Partei zeigt sich auch in der Vielfalt der Köpfe im Parlament. Es ist nicht mein Ziel, ständig vor der Kamera zu stehen und Interviews zu geben. Meine Rolle wird eine andere sein. Ich werde sicher an den Fraktionssitzungen teilnehmen, aber ich will auch keine halbe Parlamentarierin sein. Ich bin abgewählt worden und akzeptiere die demokratische Entscheidung des Volkes.
Am 6. April wählen die Delegierten die neue Parteispitze. Was ist, wenn Sie es nicht schaffen?
Dann ist es definitiv vorbei mit meiner politischen Karriere! (lacht)
Das Gespräch führte Simone Hulliger, mitgearbeitet hat Géraldine Jäggi.