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Häusliche Gewalt Alle vier Wochen wird hierzulande eine Frau vom Partner getötet

  • Die eigenen vier Wände sind lange nicht immer ein Hort von Friede und Sicherheit.
  • Letztes Jahr wurden knapp 20'000 Fälle häuslicher Gewalt polizeilich registriert, das sind gut 6.2 Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) wird alle vier Wochen eine Frau innerhalb der Partnerschaft getötet.

Für 29 Menschen endete 2019 der Streit zu Hause tödlich. Nach Angaben der Bundesstatistik bedeutet das: Zwei Drittel aller Tötungsdelikte fielen im letzten Jahr unter häusliche Gewalt. In einem Drittel der Fälle häuslicher Gewalt handelte es sich um Tätlichkeiten, gefolgt von Drohungen, Beschimpfungen und einfacher Körperverletzung.

Die Hälfte aller erfassten Straftaten häuslicher Gewalt geschieht in einer bestehenden Partnerschaft. Etwas weniger waren es, die ehemaligen Partnern und Partnerinnen psychische und/oder physische Gewalt antaten.

Hohe Dunkelziffer

In rund 70 Prozent der Fälle kamen Frauen zu Schaden. In knapp 30 Prozent der häuslichen Gewalt waren Männer Opfer. Gemäss den Bundesstatistikern sind diese Zahlen seit Jahren stabil.

Alarmierende Zahlen

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Legende: Keystone/Symbolbild

Von den 29 häuslichen Tötungsdelikten ereigneten sich 15 in einer Partnerschaft, bei welchen 14 Frauen und ein Mann getötet wurden. «Dies bedeutet, dass rund alle vier Wochen eine Frau innerhalb einer Partnerschaft getötet wird», schreibt das BFS.

Die Anzahl Tötungsdelikte bewegte sich in den letzten Jahren um einen Durchschnittswert von etwa 25 herum. In der 10-Jahres-Aufstellung des BFS fällt eine Zahl aus dem Rahmen: Mit 36 vollendeten Tötungsdelikten war 2015 das schwarze Jahr der Statistik.

Für Beratungsstellen ist die Polizeistatistik nur die Spitze des Eisberges. Denn nur ein Teil der Fälle häuslicher Gewalt wird von der Polizeistatistik erfasst. Susan Peter, die der Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz vorsteht, sagt es so: «Wenn wir davon ausgehen, dass jede vierte Frau von häuslicher Gewalt betroffen ist, müssten diese Zahlen sehr viel höher sein.»

Man wisse, dass viele der betroffenen Frauen nicht zur Polizei gehen würden, so Peter weiter. Da ist etwa die Angst vor noch mehr Gewalt, die Angst um gemeinsame Kinder oder auch die Angst davor, dass der Ruf des in der Öffentlichkeit bekannten Mannes Schaden nehmen könnte – mit unabsehbaren Folgen.

Folgen des Lockdowns ungewiss

Noch nicht in der Statistik ist die Situation des laufenden Jahres. Unter Eindruck des Lockdowns im Frühling waren die Befürchtungen gross, dass die häusliche Gewalt – wie in anderen europäischen Ländern – auch in der Schweiz zunehmen könnte.

Doch es blieb ruhig, erinnert sich Peter, die auch Geschäftsführerin des Frauenhauses in Zürich ist: «Wir können uns das nur so erklären, dass die Frauen während des Lockdowns gar nicht in der Lage waren, sich Hilfe zu organisieren.» Denn angesichts beengter Verhältnisse mit Mann und Kindern zu Hause hätten sie kaum ungestört telefonieren können, vermutet Peter.

Deshalb sei auf nationaler Ebene eine Informationskampagne gestartet worden, die etwa in Apotheken auf Hilfsangebote hinwies. In den Regionen habe es angepasste Angebote gegeben. «Das waren Versuche, an die Frauen zu gelangen, die zu Hause unter ‹erschwerten Bedingungen› häusliche Gewalt erlebt haben. Unserer Meinung nach hat das aber keinen direkten Einfluss auf deren Verhalten gehabt.»

Hier können Sie sich melden:

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Für Erwachsene:

Für Erwachsene und Jugendliche / Kinder:

Für Jugendliche und Kinder

Helpline Pro Juventute: Tel. 147, https://www.147.ch

Im Sommer versuchten die Kantone, sich ein Bild zu machen. Dabei stellten sie fest: Die Situation war regional sehr unterschiedlich. Mehr Anfragen bei Opferberatungsstellen und Frauenhäusern gab es zum Beispiel in den Räumen Zürich und Basel sowie in den Regionen der Ost- und Zentralschweiz.

Zur aktuellen Lage sagt Peter: «Nach der Aufhebung des Lockdowns kam es vermehrt zu Kontaktaufnahmen. Aktuell sind auch praktisch wieder alle Frauenhäuser voll.» Auch in normalen Jahren sind die Plätze im Winterhalbjahr besser gefüllt als in der warmen Jahreszeit. Die Fachleute können also keine Entwarnung geben.

Rendez-vous vom 05.10.2020

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