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Häusliche Gewalt Die Frauenhäuser sind stark ausgelastet

Die Fälle von häuslicher Gewalt haben zugenommen, die Frauenhäuser sind voll. Ein Augenschein im Frauenhaus St. Gallen.

700 Mal klingelte im letzten Jahr das Telefon von Silvia Vetsch. Am anderen Ende waren Frauen, die wegen häuslicher Gewalt Schutz suchten. Silvia Vetsch leitet seit acht Jahren das Frauenhaus in der Stadt St. Gallen.

«Wir haben zu wenig Platz. Für Notfälle haben wir oft kein Bett mehr frei und müssen die Frauen in Häuser in anderen Kantonen vermitteln», sagt die Geschäftsleiterin.

Im letzten Jahr haben 96 Frauen und 91 Kinder Unterschlupf im Frauenhaus St. Gallen gefunden.

Das Frauenhaus bietet auf mehreren Stockwerken 20 Betten, mit Zimmer für Frauen - mit oder ohne Kinder. Die Adresse ist aus Sicherheitsgründen geheim.

Hohe Auslastung schweizweit

Wie die Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein auf Anfrage mitteilte, seien die Schutzhäuser im letzten Jahr zu rund 80 Prozent ausgelastet gewesen. Im Jahr davor lag die Auslastung bei 55 Prozent.

Dass mehr Menschen Opfer von häuslicher Gewalt wurden, zeigen auch die Zahlen des Bundes . 2022 gab es in der Schweiz fast 20'000 Straftaten wegen häuslicher Gewalt, 3.3 Prozent mehr als im Jahr davor.

Häusliche Gewalt wurde in den Medien stark thematisiert, und so wurden mehr Frauen auf diese Möglichkeit aufmerksam.
Autor: Silvia Vetsch Geschäftsleiterin Frauenhaus St. Gallen

Die Geschäftsleiterin des Frauenhauses in St. Gallen sieht aber auch noch einen anderen Grund für die hohe Auslastung der Frauenhäuser. «Häusliche Gewalt wurde in den Medien stark thematisiert, und so wurden mehr Frauen auf diese Möglichkeit aufmerksam.»

Im Frauenhaus zur Ruhe kommen

Im Schnitt bleibt eine Frau im Frauenhaus St. Gallen 33 Tage lang. Zunächst gehe es darum, die Situation der Bewohnerinnen zu stabilisieren, sagt Geschäftsleiterin Silvia Vetsch. Ihnen stehen Beraterinnen aus den Bereichen Sozialarbeit, Pädagogik und Psychologie zur Verfügung.

Die Erkenntnis, dass man nicht alleine ist, kann enorm hilfreich sein.
Autor: Silvia Vetsch Geschäftsleiterin Frauenhaus St. Gallen

Wichtig sei aber auch das Zusammenkommen mit anderen betroffenen Frauen. «Die Erkenntnis, dass man nicht alleine ist, kann enorm hilfreich sein.»

In einer zweiten Phase wird den Frauen geholfen, sich zu entscheiden, wie es weitergehen soll. 15 bis 20 Prozent der Frauen würden zurück in ihre Beziehung gehen. Die anderen bauten sich nach dem Aufenthalt im Frauenhaus ein neues Leben auf.

Kinder im Frauenhaus

Im Frauenhaus in St. Gallen befinden sich momentan auch 13 Kinder. Diese seien im Alter zwischen null und 18 Jahren. «Wir hatten sogar schon Kinder, die während des Aufenthalts der Mutter im Frauenhaus zur Welt kamen.»

Für die Kinder gibt es im St. Galler Frauenhaus ein Zimmer mit vielen Spielsachen, Plüschtieren und Puppen. In einem geschützten Innenhof haben sie die Möglichkeit, draussen zu spielen.

Nicht nur die Mütter, sondern auch ihre Kinder seien psychisch belastet. «Wir versuchen, für diese Kinder Therapien bei psychiatrischen Diensten zu vermitteln. Doch auch dort ist die Auslastung derzeit hoch», sagt Silvia Vetsch. Ihr Personal sei aber geschult, um traumatisierte Kinder direkt im Frauenhaus psychologisch betreuen zu können, bis ein Therapieplatz frei ist.

SRF Regionaljournal Ostschweiz, 05.05.2023, 17:30 Uhr ; 

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