Iseltwald wird von Touristenscharen überrannt, ebenso das Lauterbrunnental. Das jüngste Beispiel ist Lungern im Kanton Obwalden. Die 2000-Seelen-Gemeinde ist ein viel besuchter Ort in diesem Jahr.
Hauptgrund ist die Netflix-Serie «Crash Landing on You», die teilweise am idyllischen Lungernsee spielt. Vor allem asiatische Touristen wollen deshalb die Drehorte besuchen und Erinnerungsfotos machen.
Waren die Touristen zu Beginn noch willkommene Gäste, hat der Wind in Lungern in den letzten Wochen gedreht. Einheimische erzählen von Leuten, die ungefragt durch die Gärten laufen, die Kinder fotografieren oder mit dem Mietauto im Fahrverbot feststecken.
Für Gemeindepräsidentin Bernadette Kaufmann-Durrer ist es ein Spagat: «Wir müssen dafür sorgen, dass es allen wohl ist im Dorf. Den Einheimischen und den Touristen.» Die Gemeinde Lungern stellt den Einheimischen deshalb Schilder zur Verfügung, welche mit Bildern klare Regeln enthalten.
Dass Touristen nicht nur Geld, sondern auch Probleme bringen können – das weiss man in der Touristenstadt Luzern schon lange. An den schönsten Orten der Stadt rund um die Kapellbrücke, am See oder beim Löwendenkmal ist es oft eng und laut.
Luzern könnte Rekordzahlen schreiben
Passantin Elly Bossard bringt es auf den Punkt: «Es hat überall zu viele Leute. Ich kann keinen Kaffee in Ruhe trinken und es hat zu viel Verkehr.» Diese Gefühle der Einheimischen werden von den aktuellen Zahlen bestätigt: Die Einschränkungen der Corona-Jahre sind weg und die Menschen kommen aus aller Welt.
Die Halbjahresbilanz von Schweiz Tourismus zeigt aber auch grosse Unterschiede. Ein schwieriges erstes Halbjahr haben die Bergregionen, die vor allem auf inländische Gäste setzen. An diesen Orten kommen zwei Dinge zusammen: das schlechte Wetter im Frühling und wegfallende Wintereinnahmen wegen des Schneemangels.
Ein Beispiel dafür ist Sörenberg im Kanton Luzern. Die Ferienregion im Luzerner Entlebuch verdient ihr Geld vorwiegend im Winter. Nun aber schreiben die Bergbahnen Millionenverluste.
Eine neue Strategie muss deshalb her. Simon Zobrist, Geschäftsführer Sörenberg Flühli Tourismus: «Grundsätzlich müssen wir im Ganzjahrestourismus denken und uns lösen vom reinen Winterort.» Es sollen mehr Leute im Sommer kommen. Dafür hat Sörenberg investiert: in Spielplätze, Erlebniswege und in die Infrastruktur auf dem Brienzer Rothorn. Bis jetzt vermögen sie die fehlenden Einnahmen des Winters nicht zu kompensieren – obwohl die Hotels und anderen Unterkünfte im Sommer relativ gut gebucht sind.
Touristen von Luzern nach Sörenberg locken
Ein Problem, mit dem Sörenberg nicht alleine ist. Vielen kleineren Bergdestinationen geht es ähnlich. Schweiz Tourismus hat deshalb die Idee lanciert, Touristen vermehrt weg von den vollen Hotspots, hin zu kleineren Orten mit mehr Platz zu locken. Für Florian Eggli von der Hochschule Luzern ein interessanter Gedanke. Vor allem für Menschen, die mehrmals denselben Ort besuchen.
Wenn man zum ersten Mal in Paris ist, will man den Eiffelturm sehen.
«Es geht uns allen so. Wenn man zum ersten Mal in Paris ist, will man den Eiffelturm sehen. Aber für Zweit- und Drittreisende ist es attraktiv, wen man auch neue Orte in der Nähe sehen kann.» Gelingen soll dies unter anderem mit verstärkten Marketingmassnahmen für die international unbekannteren Orte.
Klar ist allen Verantwortlichen: Dass ausländische Touristen künftig in Massen statt zur Kapellbrücke nach Sörenberg gehen, ist Wunschdenken. Realistischer ist, dass es einzelne tun und trotzdem ist es eine Möglichkeit, die Touristenströme besser zu verteilen.