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Baselbieter Schulen müssen Integrationsprobleme melden: LCH-Präsident Beat Zemp
Aus SRF 4 News aktuell vom 18.05.2018.
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Handschlagaffäre in Basel «Die Meldepflicht ist auch zum Wohl der Schüler»

Wenn sich Schülerinnen und Schüler im Kanton Baselland radikalisieren oder den Unterricht verweigern, dann werden sie künftig dem Migrationsamt gemeldet. Das Kantonsparlament hat eine entsprechende Gesetzesänderung verabschiedet. Sie schütze sowohl Lehrpersonen wie auch die Jugendlichen selber, sagt Beat Zemp. Der Präsident des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer im Gespräch.

Beat Zemp

Beat Zemp

LCH-Präsident

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Beat Zemp ist Lehrer für Mathematik und Geographie am Gymnasium Liestal. Zugleich sitzt er als Präsident dem Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH vor.

SRF News: Was halten Sie vom neuen Gesetzesartikel?

Beat Zemp: Es ist ein vernünftiger Kompromiss. Ursprünglich wurde ein neuer Verfassungsartikel angestrebt, um das Recht auf Handschlag zu verankern. Aber das wäre nicht sinnvoll gewesen. Jetzt geht es um eine Änderung des Bildungsgesetzes. Das ist ein vernünftiger Kompromiss, weil darin eine Meldepflicht, aber auch ein Melderecht an das Amt für Migration verankert ist, wenn es zu wesentlichen Problemen im Schulbetrieb kommt.

Das Parlament hat sich klar für die Meldepflicht ausgesprochen. Die Lehrer sind also gezwungen, solche Vorkommnisse dem Migrationsamt zu melden.

Wenn es darum geht, eine Weisung einer Lehrperson Nachachtung zu verschaffen, ist das aus Sicht der Lehrer durchaus ein Melderecht. Denn der Schulbetrieb kann beispielsweise durch Verweigerung der Teilnahme oder durch respektlose Behandlung der Lehrperson massiv gestört werden. In solchen Fällen ist es gut, wenn die Lehrperson das melden kann. Deswegen ist es auch ein Melderecht.

Es ist ein vernünftiger Kompromiss.

Ist es nun ein Gesetz zum Schutz der Lehrkräfte oder der Schüler?

Wenn sich Schülerinnen und Schüler radikalisieren, dann ist die Meldepflicht auch zu ihrem Wohl, denn letztlich ist dabei das Schüler- oder Kindeswohl bedroht. Es ist aber nicht Sache der Lehrpersonen, die Aktivitäten ihrer Schülerinnen und Schüler in den sozialen Medien zu prüfen. Es wird also keine Schnüffelaktionen von Lehrern geben – das würde unseren Auftrag korrumpieren. Das ist Sache des Nachrichtendienstes. Aber wenn offensichtliche Anzeichen von Radikalisierung da sind, dann soll man das auch melden.

Die Fälle müssen dem Migrationsamt gemeldet werden. Es geht also vor allem um Ausländerkinder. Verletzt das nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung?

Das soll eben gerade nicht der Fall sein. Denn es geht darum – und das steht explizit im Bildungsgesetz –, die freiheitlichen, gleichberechtigten und solidarischen Werte unserer Gesellschaft zu achten. Das würde heissen: sicher keine Diskriminierung. Ich kann mir auch vorstellen, dass es bei verhaltensauffälligen Schülern Probleme gibt, und das sind nicht einfach nur die ausländischen Schüler. Es gibt durchaus auch Beispiele aus Schweizer Familien.

Bei Vorfällen wie der Therwiler Handschlagaffäre handelt sich um erzieherische Probleme, und die kann man selten mit einer rechtlichen Formulierung aus der Welt schaffen.

Befürchten die Lehrer nicht, sie würden zu Denunzianten?

Denunziantentum lehnen wir grundsätzlich ab. Es würde unseren Auftrag wirklich schädigen. Es geht darum, ein Vertrauensverhältnis zwischen den Eltern, den Lehrpersonen und den Schülern aufzubauen – da kann man nicht gleichzeitig Schnüffelaktionen durchführen. Das wäre unwürdig. Jetzt steht ganz klar im Bildungsgesetz, die Meldepflicht seine eine letzte Möglichkeit, wenn alle anderen ausgeschöpft seien – damit diese Meldepflicht auch wirklich greift.

Wenn sich Schülerinnen und Schüler radikalisieren, dann ist die Meldepflicht auch zu ihrem Wohl.

Auslöser für die Gesetzesänderung war die sogenannte Therwiler Handschlagaffäre. Können solche Vorfälle damit verhindert werden?

Es handelt sich dabei um erzieherische Probleme, und die kann man selten mit einer rechtlichen Formulierung aus der Welt schaffen. Erziehung ist Kleinarbeit. Den Schülern, die sich verweigern, muss man erst klarmachen, dass sie sich damit grosse Probleme schaffen, wenn sie später in den Arbeitsmarkt kommen wollen. Daran muss man täglich arbeiten.

Besteht nicht die Gefahr, sich lieber auf die Meldepflicht zu berufen, anstatt den gesunden Menschenverstand walten zu lassen?

Ich bin überzeugt, dass die Lehrpersonen den Gesetzesartikel vernünftig umsetzen. Vielleicht gibt es einige, die sofort auf diese Meldepflicht aufspringen. Aber wissen Sie, wenn da steht: als letzte Möglichkeit, dann muss man ja auch zuerst einmal die erzieherischen Möglichkeiten ausschöpfen und das Gespräch suchen. Erst wenn alles nichts hilft und beispielsweise trotzdem ein Klassenlager oder der obligatorische Schwimmunterricht verweigert wird, hat das Bundesgericht dazu ja klare Worte gefunden. Und ich bin froh, dass wir dann auch klar wissen, was zu tun ist.

Das Gespräch führte Ivan Santoro.

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