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Hassverbrechen gegen Juden Braucht es ein strengeres Jugendstrafgesetz?

Nach dem schweren Messerangriff eines 15-Jährigen auf einen Juden stellt sich die Frage nach dessen Bestrafung.

Darum geht es: Ein 15-Jähriger hatte am Samstagabend in der Zürcher Innenstadt ein Messer gezückt und auf einen orthodoxen Juden eingestochen. Der 50-Jährige musste schwer verletzt ins Spital gebracht werden. Inzwischen sei er ausser Lebensgefahr, teilten die Behörden mit. Gegenüber der Wochenzeitung «Tachles» sagten Zeugen, der Täter habe gerufen: «Ich bin Schweizer. Ich bin Muslim. Ich bin hier, um Juden zu töten.» Dem Angreifer droht maximal ein Jahr im Gefängnis.

Das sagt der Psychiater: Die jetzigen Strafmassnahmen reichten nicht aus, sagt Frank Urbaniok, ehemaliger Leiter des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes des Kantons Zürich. «Aus meiner Sicht ist es ein Problem, dass die Haftstrafe bei Jugendlichen im Alter von 15 Jahren bei schweren Gewaltdelikten nicht länger als ein Jahr sein darf. Das ist aus meiner Sicht zu starr.» Es brauche eine Flexibilisierung. Dass der Angreifer noch jung ist, könne Vor- und Nachteile haben, sagt Urbaniok. «Es gibt Personen, die, gerade weil sie so jung radikalisiert wurden, dies schon als Teil ihrer Identität angenommen haben. Dann ist es wenig bis gar nicht mehr veränderbar», sagt Urbaniok. Es gebe aber auch den anderen Fall, dass gerade junge Menschen noch gut veränderbar seien. «Es kommt auf den Einzelfall drauf an.»

Das sagt der Jurist: Benjam Brägger ist Strafvollzugsexperte. Er widerspricht Urbaniok. «Längere Strafen wären nicht im Sinne des Jugendstrafrechts. Es wäre sogar kontraproduktiv», sagt Brägger. Das Jugendstrafrecht sei ein Erziehungsrecht. Das heisst: «Man versucht, den jugendlichen Straftäter dort abzuholen, wo er ist und einen Mangel hat», sagt Brägger. «Wir versuchen, die Jugendlichen mit therapeutischen Massnahmen wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Viele Jugendliche machen in der Pubertät mal Mist und werden als Erwachsene nicht kriminell.»

Das Jugendstrafrecht versuche, Hand zu bieten und die Jugendlichen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Die erzieherisch therapeutischen Massnahmen könnten bis zum 25. Lebensjahr dauern. «Wir hätten beim Angreifer also zehn Jahre Zeit, um zu schauen, ob eine Entwicklung einsetzt. Ist dem so, steht der Freilassung nichts mehr im Weg. Ist er aber ideologisch bereits so gefestigt, hat man im Jugendstrafrecht im Moment keine Nachfolgelösung», so der Strafvollzugsexperte. Bei Erwachsenen würde man dann über Verwahrung sprechen.

Zwei Polizisten sichern eine Synagoge
Legende: Nach dem Messerangriff eines 15-Jährigen wurde das Sicherheitsaufgebot vor jüdischen Einrichtungen erhöht. KEYSTONE/Ennio Leanza

Das ist die Entwicklung: Messerangriffe nehmen tendenziell zu. Das bestätigen sowohl die Kantonspolizei Zürich als auch der Strafvollzugsexperte Brägger. «Wir sind in einer Phase, in der Gewalt wieder normaler wird. Auch Mädchen fangen an, Gewalt anzuwenden», sagt Brägger. Gerade in städtischen Gebieten werde es wieder normaler, dass man ein Messer auf sich trage und dieses nach dem Ausgang auch einsetze. «Die Hemmschwelle sinkt.»

Das ist geplant: Erst Ende Februar hat das Schweizer Parlament einer Verschärfung des Jugendstrafgesetzes zugestimmt. Neu sollen auch Jugendliche verwahrt werden dürfen, allerdings müssen dafür gewisse Kriterien erfüllt sein. So würde die Verwahrung nur gelten bei Mord, wenn der Täter älter als 16 war, inzwischen volljährig ist, die Jugendstrafe abgesessen hat und Rückfallgefahr besteht. Gemäss diesen Kriterien würde der 15-jährige Angreifer nicht verwahrt werden dürfen. Die Verschärfung des Jugendstrafgesetzes dürfte nach diesem Angriff Bestätigung erhalten.

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Tagesschau, 4.3.2024, 12:45 Uhr;kesm

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