So etwas gibt es sonst nirgends auf der Welt: Seit elf Jahren sind im Haus der Religionen in Bern acht Religionen vereint: Hindus, Musliminnen, Christen, Alevitinnen und Buddhisten haben ihre eigenen Religionsräume – Jüdinnen, Bahai und Sikhs beteiligen sich am Programm. Laila Sheikh war langjährige Schweizer Diplomatin und übernimmt nun die Leitung.
SRF: Wie viele Leute gehen pro Jahr ein und aus?
Leila Sheikh: Über 30'000 Leute besuchen das Restaurant, die Veranstaltungen, Rundgänge und Workshops. Dazu nehmen in der Moschee jeden Freitag rund 300 Personen am Freitagsgebet teil, der Hindu-Tempel hat über 220 Festtage, im August besuchen mehrere Tausend Personen das Wagenfest, jedes Wochenende gibt es buddhistische Veranstaltungen. Es sind wohl jährlich 100'000 Besuchende.
Man kann zuschauen, mitmachen, Fragen stellen. Mir scheint dies das beste Rezept gegen die Angst vor Parallelgesellschaften.
Bemerkenswert ist, dass alle Gemeinschaften ihre Religion ins Schaufenster stellen, die Gottesdienste und Zeremonien sind öffentlich, man kann zuschauen, mitmachen, Fragen stellen. Mir scheint dies das beste Rezept gegen die Angst vor Parallelgesellschaften.
Sie arbeiten auch mit der Polizeischule Ostschweiz zusammen?
400 Aspirantinnen und Aspiranten besuchten Workshops bei Vertretern aus den Glaubensgemeinschaften. Es geht um Fragen des Racial Profilings oder zum Vorgehen bei Hausdurchsuchungen. Das Projekt hat viel Interesse geweckt, wir wurden nun auch von anderen Polizeischulen angefragt.
Sie waren 20 Jahre Diplomatin in Jerusalem. Ihr Vater stammt aus Pakistan, Sie sind als Muslimin im katholisch geprägten freiburgischen Schmitten aufgewachsen. Das Mit- und Nebeneinander verschiedener Religionen kennen Sie seit Ihrer Kindheit?
Das war immer eine Selbstverständlichkeit. Meine Mutter ist Schweizerin mit einer grossen katholischen Verwandtschaft. Wir hatten ein sehr offenes Haus. Ich nahm mich immer als Brückenbauer, als Grenzgängerin wahr. Im Dorf gab es keine Familie wie wir, ich war in der Minderheit, das schärft den Blick.
Gab es auch schwierige Momente?
Es gab manchmal Zuschreibungen: dass mein Vater meinen Ehemann auslesen würde, die Frage, wann ich ein Kopftuch tragen muss. Umgekehrt, wenn sich Leute generell negativ über Ausländerinnen und Ausländer geäussert haben, hat mich dies getroffen – auch wenn immer gesagt wurde: «Wir meinen nicht euch, ihr seid anders».
Diese Gemeinschaft besteht schon sehr lange. Sie beruht auf Vertrauen und Respekt.
Im Haus der Religionen sind die jüdische und die muslimische Glaubensgemeinschaft vertreten, funktioniert die Zusammenarbeit trotz des Krieges in Gaza?
Diese Gemeinschaft besteht schon sehr lange. Sie beruht auf Vertrauen und Respekt. Der Umgang untereinander ist wohl sorgfältiger als allgemein in der Gesellschaft. Es finden weiterhin gemeinsame Sitzungen statt, wir arbeiten normal an den Alltagsgeschäften.
Sie übernehmen eine schwierige Aufgabe: das Haus der Religionen stand vor drei Jahren in den Schlagzeilen wegen Zwangsheiraten.
Das Haus hat sich diesen Vorwürfen gestellt. Das ist absolut inakzeptabel und ein Offizialdelikt. Wir arbeiten mit der Fachstelle Zwangsheirat zusammen, wir erarbeiteten einen Verhaltenskodex. Es hat das Haus durchgeschüttelt, weil man es nicht für möglich gehalten hat, dass so etwas möglich ist. Dieser Schock sitzt so tief, dass alle sehr aufmerksam sind. Oft sind es die Eltern, die das Gefühl haben, sie könnten den Kindern vorschreiben, wen sie heiraten sollen. Da suchen wir das Gespräch. Damit setzen wir uns auseinander. Es gibt das Gesetz, woran wir uns halten, aber auch die interne Sensibilisierungsarbeit.
Das Gespräch führte Karoline Arn.