Die hohen Temperaturen in der Schweiz wärmen die Seen und Flüsse bereits jetzt ungesund stark auf. Werte von über 26 Grad im Bodensee und Greifensee oder gar 28.4 Grad im Luganersee zeugen davon. Der Vierwaldstättersee liegt mit rund 23 Grad um sechs Grad höher als Ende Juni üblich. Eawag-Experte Christian Stamm skizziert die Folgen für die Wasserlebewesen und mögliche Massnahmen im Klimawandel.
SRF News: Wie sind die Wassertemperaturen in Seen und Flüssen per Ende Juni einzuschätzen?
Christian Stamm: Verglichen mit der Vergangenheit sind die Temperaturen aussergewöhnlich hoch. Und zwar nicht nur für Ende Juni, sondern grundsätzlich. Viele Pflanzen und Tiere in den Schweizer Gewässern kannten solche Temperaturen bisher nicht und können entsprechend nicht damit umgehen. Für kälteliebende Fische wie beispielsweise Äschen und Forellen wird das wegen Sauerstoffmangels zum echten Problem, das tödlich sein kann. Gerade in Flüssen können die Fische nicht ausweichen, während sie in Seen immerhin in kühlere Tiefen abtauchen können.
Bei welcher Wassertemperatur wird es für Fische tödlich?
Die Fische haben unterschiedliche Toleranzen. 20 Grad Celsius sind in der Regel für Forellen oder Äschen bereits eine sehr kritische Temperatur. Das zeigte sich etwa im Hitzesommer 2003, als im Rhein unterhalb des Bodensees Zehntausende Äschen verendeten. Ähnliche Szenarien sind im laufenden Jahr nicht auszuschliessen.
Welche anderen Auswirkungen haben die hohen Temperaturen in Flüssen und Seen sonst noch?
Es ist wahrscheinlich, dass Bakterien und Algen von den hohen Temperaturen profitieren. Beispielsweise die giftigen Cyanobakterien beziehungsweise Blaualgen. Bereits in den letzten Jahren verendeten Hunde, die im Wasser spielten und Steine ableckten, auf welchen die Bakterien wachsen.
Ich gehe davon aus, dass die jetzige Lage zum Normalzustand wird.
Kritisch sind aber auch die sinkenden Wasserstände mangels Niederschlägen. Denn dadurch steigt die Konzentration von Abwässern. Obwohl die Abwässer gereinigt sind, kann das lokal zu hygienischen Problemen führen.
Wie könnte man den hohen Temperaturen in Gewässern entgegenwirken oder die Folgen mildern?
Es ist nur sehr beschränkt möglich, den Klimawandel kurzfristig abzudämpfen. Teilweise hat man Fische abgefischt und an andere Stellen verlegt. Doch diese Symptombehandlung ist nur lokal möglich. Den Gewässern sollte auf jeden Fall genügend natürlicher Lebensraum gegeben werden, damit Vielfalt entsteht. Etwa durch eine Uferbestockung, damit Beschattung möglich ist und weniger extreme Temperaturen in gewissen Gewässerabschnitten vorkommen.
Ich gehe davon aus, dass die jetzige Lage zum Normalzustand wird. Darum muss das Gewässermanagement weitergehen – etwa durch Revitalisierung und Vernetzung, um die Gewässerökosysteme widerstandsfähiger zu machen.
Das Gespräch führte Martina Koch.