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Hitzige Debatte «Beispielloser Zulauf von Fahrenden»: Kanton Waadt reagiert

Der Kanton Waadt überdenkt seine Aufnahmepolitik für Fahrende: Kleinere Siedlungen sollen die Lage entspannen.

In der Waadt kocht derzeit ein Konflikt zwischen den Behörden und Fahrenden hoch. Der Kanton stellt einen «beispiellosen Zulauf von Fahrenden» fest. Der einzige fixe Standplatz in Rennaz bei Villeneuve ist schon länger voll. Deshalb haben Fahrende ihre Wohnwagen vor einigen Wochen auch in Lausanne und in Yverdon abgestellt.

In Yverdon liegen sie sich mit den Behörden in den Haaren. Die Gemeinde hatte verlangt, dass die Fahrenden den Standort verlassen sollen. Die Frist lief letzte Woche ab. Geschehen ist bis heute nichts.

Zunächst lief alles gut

Bei dem Standort in Yverdon handelt es sich um eine mit der Stadt ausgehandelte Übergangslösung, nachdem die Fahrenden ein Firmengelände verlassen mussten.

Platz für die Fahrenden in Yverdon, mit Betonblöcken im Vordergrund
Legende: Die Fahrenden in Yverdon konnten sich auf einem Platz neben dem Trainingsfeld der örtlichen Rugbymannschaft niederlassen – allerdings nur vorübergehend. Keystone/Laurent Merlet

«Zunächst lief alles gut», berichtet Valérie Wacker, Westschweiz-Korrespondentin von SRF. «Die Fahrenden haben Garantien hinterlegt und täglich Standmiete für Wasser und Strom entrichtet.»

«So lässt sich kein Vertrauen aufbauen»

Als schliesslich die Frist auslief, stieg der politische Druck: Die SVP warf dem zuständigen Gemeinderat Christian Weiler vor, naiv gehandelt zu haben. «Daraufhin liess er Betonblöcke vor der Wohnwagensiedlung platzieren», rekapituliert Wacker die Ereignisse.

Durch die Betonblöcke soll verhindert werden, dass noch mehr Fahrende auf den Platz gelangen. Zudem reichte die Gemeinde Anzeige gegen die Fahrenden ein und hofft nun, dass das zuständige Gericht eine Wegweisung verfügt. In der RTS-Sendung «Forum» sagte Weiler, die Fahrenden würden sich mit ihrem Verhalten selber schaden. «So lässt sich kein Vertrauen aufbauen.» 

Laut Korrespondentin Wacker bemühte sich die Stadt Yverdon in der Vergangenheit, ein Einvernehmen mit den Fahrenden zu finden. So läuft derzeit etwa ein Pilotprojekt mit Schweizer Jenischen. «Angesichts der aktuellen Situation droht dieses nun politisch unter Druck zu geraten.»

Kanton Waadt sucht nach Lösungen

Der Kanton Waadt will nun seine Aufnahmepolitik überdenken. «Wir wollen kleinere provisorische Aufnahmeplätze für 15 bis 20 Wohnwagen schaffen», sagte der Waadtländer Staatsrat Vassilis Venizelos in einem Interview in «24 Heures». «Wir sind mit den Gemeinden im Gespräch, um die Aufnahme von ausländischen Fahrenden neu zu organisieren.»

Fixer Standplatz für Fahrend in Rennaz
Legende: Derzeit gibt es im Kanton Waadt nur einen offiziellen Durchgangsplatz mit 42 Plätzen in Rennaz für Fahrende aus dem Ausland. Keystone/Jean-Christophe Bott

«Wenn der Kanton beschliesst, zusätzlich zum Standplatz in Rennaz einen weiteren Standplatz zu schaffen, wird dieser erst in vier bis fünf Jahren entstehen», sagte der Vorsteher des Waadtländer Sicherheitsdepartements. Durch die Schaffung kleinerer provisorischer Standplätze könne bereits im nächsten Jahr eine Lösung gefunden werden.

Darum zieht es Fahrende in die Waadt

Box aufklappen Box zuklappen

Im Kanton Waadt gibt es derzeit zwei Gruppen ausländischer Fahrender, eine in Yverdon-les-Bains und eine in Lausanne. Als Grund für diesen Zulauf nennt Staatsrat Vassilis Venizelos den Mangel an Arbeitskräften in der Schweiz, der «Unternehmen dazu veranlasst, diesen Personen Verträge anzubieten».

Zudem sei die Wirtschaftslage in Ländern wie Spanien und Frankreich nach der Corona-Pandemie angespannt. Dies trage zum Zustrom von Fahrenden in die Schweiz bei. SRF-Korrespondentin Valérie Wacker formuliert es direkter: «Offensichtlich finden die Fahrenden hierzulande Arbeit.»

Ausserdem «sollten durch kleinere Standplätze weniger Spannungen und Risiken entstehen als bei grossen Siedlungen», so Venizelos. Es müsse ein Gleichgewicht zwischen der Einhaltung der Regeln und der Verbesserung der Beherbergung gefunden werden.

Ob kleinere Standplätze tatsächlich die Spannungen vermindern, muss sich weisen. Denn auch im konfliktbeladenen Fall Yverdon stehen lediglich 25 Wohnwagen. Fakt ist: Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid von 2003 sind die Kantone und Gemeinden verpflichtet, Plätze für Fahrende vorzusehen. «Es muss also eine Lösung gefunden werden», schliesst Wacker.

Rendez-vous, 08.08.2023, 12:30 Uhr ; 

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