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Hohe Ergänzungsleistungskosten Bürgerliche wollen Schlupflöcher stopfen – Linke befürchten Abbau

  • Bedürftige Rentnerinnen und Rentner erhalten Ergänzungsleistungen (EL).
  • Die Kosten dafür haben sich zwischen 1998 und 2012 mehr als verdoppelt – auf rund 4,4 Milliarden Franken im Jahr.
  • Es besteht also Handlungsbedarf – das war im Nationalrat unbestritten.
  • Uneins war man sich in der grossen Kammer unter anderem bei der Höhe der Vermögensschwelle und bei der Auszahlung der Pensionskasse.
  • Während der mehrstündigen Detailberatung haben sich zahlreiche Kürzungsanträge durchgesetzt: Einzelne Zustüpfe sollen wegfallen und das Anrecht auf Ergänzungsleistungen beschränkt werden.

Ergänzungsleistungen (EL) sind häufig das letzte soziale Auffangnetz für IV-Rentnerinnen und Pensionierte, wenn die normalen Renten nicht fürs Leben reichen. Mehr als 300'000 Menschen sind auf sie angewiesen.

Nationalräte der FDP, der SVP und zum Teil auch aus der politischen Mitte wollen, dass künftig weniger Rentnerinnen und Rentner Ergänzungsleistungen erhalten. Zu Beginn der Debatte über die Reform des EL-Systems beziehen die verschiedenen Lager in der grossen Kammer markig ihre Positionen.

Thomas de Courten (SVP/BL) hat vor allem jene im Auge, die noch ein Vermögen besitzen. Für sie gebe es zu viele Schlupflöcher, kritisiert er: «Ein Fehlanreiz besteht darin, dass professionelle Steuer- und Vermögensberater ihre Klientel gezielt auf Ergänzungsleistungsansprüche hinführen.»

Höhere Mietzuschüsse für Rentner abgelehnt

Linke Nationalrätinnen halten dagegen. Es sei falsch, alle EL-Bezüger unter Generalverdacht zu stellen. «Ein Leben mit Ergänzungsleistungen ist ein Leben am Existenzminimum», sagt etwa Silvia Schenker (SP/BS).

Die Mehrheitsverhältnisse sind allerdings klar: Es geht in Richtung Verschärfung. So kürzt der Nationalrat in einem ersten Schritt vorgesehene Zusatzgelder für arme Rentner, die hohe Mietzinsen zu zahlen haben.

Ein Leben mit Ergänzungsleistungen ist ein Leben am Existenzminimum.
Autor: Silvia Schenker SP-Nationalrätin

Danach geht es um höhere Hürden, um überhaupt Ergänzungsleistungen zu erhalten. Wer ein Vermögen von über 100'000 Franken besitzt, soll generell keine Ergänzungsleistungen mehr erhalten. Dafür tritt Bruno Pezzatti (FDP/ZG) ein. «Von Personen über dieser Schwelle kann erwartet werden, dass sie die Ergänzungsleistungen nicht wirklich nötig haben.»

Gäbe es die Vermögensschwelle von 100'000 Franken bereits heute, so hätten 12'000 der über 300'000 Bezüger keinen Anspruch mehr auf Ergänzungsleistungen. SP-Nationalrätin Schenker hält diese Schwelle für einen Schnellschuss. Sie wolle keine Vermögenden schützen.

Aber auch durchschnittlich vermögende Ehepaare mit eigenem Haus könnten von der Schwelle betroffen sein. Etwa wenn ein Ehepartner in ein teures Pflegeheim müsse, der andere aber weiter zu Hause wohne. «Es wurde überhaupt nicht darüber gesprochen, ob die Grenze von 100'000 Franken sinnvoll gewählt ist. Sie wurde willkürlich festgelegt», so Schenker.

Erben sollen Ergänzungsleistungen zurückbezahlen

Die Befürworter der Vermögensschwelle halten dagegen, dass für Hausbesitzerinnen Ausnahmen geplant seien. Wenn das Vermögen im eigenen Haus steckt, wären Ergänzungsleistungen demnach trotzdem möglich.

Es gibt Beispiele, wo Personen das Geld im Ausland verpulvert haben, und die dann – zurück in der Schweiz – Ergänzungsleistungen beziehen.
Autor: Lorenz Hess BDP-Nationalrat

Das Geld würde nach dem Tod der Bezüger und dem Verkauf des Hauses aber an den Staat zurückbezahlt werden müssen. Am Schluss stimmen die Bürgerlichen von CVP bis SVP für die Vermögensschwelle von 100'000 Franken.

Ein weiterer Streitpunkt ist der Vorschlag, dass Pensionierte künftig zwingend ihr ganzes Geld aus der Pensionskasse als Rente beziehen müssen. Sich das Kapital im Alter von 65 oder 64 Jahren auszahlen zu lassen ginge nicht mehr.

Positionen von Bundes- und Ständerat

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Der Bundesrat stellt fest, dass sich jeder dritte EL-Bezüger Pensionskassengeld hat auszahlen lassen. Er schlägt deshalb vor, dass jene, die sich selbständig machen wollen, künftig kein Kapital mehr aus dem obligatorischen Teil der 2. Säule beziehen dürfen. Damit soll verhindert werden, dass Menschen im Alter, etwa nach einem Konkurs, auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind. Für Immobilienkäufe soll weiterhin auf das Pensionskassengeld zugegriffen werden dürfen.

Der Ständerat , der das Geschäft schon letztes Jahr beraten hat , will jenen, die sich selbständig machen, den Vorbezug von Pensionskassenguthaben weiterhin erlauben. Dies aber nur zum Zweck einer Firmengründung und höchstens in der Höhe des Betrages, den der Bezüger oder die Bezügerin mit 50 Jahren zugute gehabt hätte.

Lorenz Hess (BDP/BE) ist ein Anhänger der Idee, weil es heute Missbrauch gebe: «Es gibt Beispiele, wo Personen das Geld im Ausland verpulvert haben, und die dann – zurück in der Schweiz – Ergänzungsleistungen beziehen.»

Verena Herzog (SVP/TG) ist da anderer Meinung: «Es ist eine äusserst fragwürdige Lösung, wenn alle eingeschränkt werden, nur weil ein paar einzelne mit ihren Guthaben nicht umgehen können.» Über persönlich angespartes Geld solle jeder in Eigenverantwortung verfügen können.

Status Quo beim Streitpunkt Pensionskassengeld

Kritische Stimmen wie die von Herzog setzen sich durch. Rund um die Auszahlung des Pensionskassengeldes soll sich nichts ändern.

Status Quo bei den Pensionskassen, Kürzungen bei den Ergänzungsleistungen, und vor allem höhere Hürden, um überhaupt Ergänzungsleistungen zu erhalten – so will es der Nationalrat. Bund und Kantone würden so mehrere 100 Millionen Franken pro Jahr sparen.

Fortsetzung am Donnerstag

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Über die Mindesthöhe der Ergänzungsleistungen oder eine neue Karenzfrist für Auslandschweizer hat der Nationalrat noch nicht entschieden. Die Beratungen werden am Donnerstagnachmittag fortgesetzt. (sda)

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