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Hohe Krankenkassenprämien Linke lanciert alte Idee neu: Wer mehr verdient, soll mehr zahlen

Der heftige Prämienanstieg betrifft alle gleichermassen. Unfair, findet die politische Linke – und wartet mit einer altbekannten Forderung auf: Die Höhe der Prämien soll dem Einkommen angepasst werden.

Eine Top-Managerin zahlt in der Schweiz heute grundsätzlich gleich hohe Krankenkassenprämien wie ein Bauarbeiter – sofern dieser nicht von Prämienverbilligungen profitiert. «Das ist unsolidarisch», sagt die Grünen-Ständerätin Maya Graf. Für sie ist die Schmerzgrenze erreicht. «Viele Menschen können ihre Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen.»

Betroffen seien vor allem Familien bis zum unteren Mittelstand, sagt Graf. «Und auch die Prämienverbilligungen haben insofern versagt, als sie diese Menschen gar nicht erreichen.» Daher sei ein Systemwechsel hin zu einer einkommensabhängigen Prämie angezeigt. Graf hat im Ständerat einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Im Nationalrat ist ein identischer Vorstoss hängig.

Grüne und SP machen Druck

Auch die SP macht sich derzeit für einkommensabhängige Prämien stark. Das SP-Fraktionspräsidium rechnete in den CH-Media-Zeitungen vor, dass so 85 Prozent der Bevölkerung entlastet werden könnten.

Ärztin mit Patientin an Schreibtisch
Legende: Die Forderung nach einkommensabhängigen Prämien ist nicht neu. Sie wurde in den letzten Jahren im Parlament mehrfach abgelehnt. Das Volk sprach sich letztmals im Jahr 2007 an der Urne gegen einkommensabhängige Prämien aus. Keystone/Martin Rüetschi

Widerstand regt sich auch jetzt wieder: FDP-Ständerat Josef Dittli sagt, es stimme gar nicht, dass mit einkommensabhängigen Prämien mehr Gerechtigkeit erreicht werde. Das heutige System mit den Prämienverbilligungen sei gerecht, weil diese zu einem grossen Teil über Steuern finanziert würden. Somit finde bereits ein Ausgleich statt.

Zudem befürchtet Dittli, dass mit diesem Systemwechsel die Gesundheitskosten weiter steigen: «Viele Leute, die keine Prämien mehr bezahlen, gehen erst recht wegen jedem Bobo zum Arzt und treiben damit die Gesundheitskosten in die Höhe. Das kann es nicht sein.»

Auch der Gesundheitsökonom Willy Oggier glaubt nicht, dass einkommensabhängige Prämien mehr Solidarität bringen würden als das heutige System. «Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Gegenteil geschehen: Denn jene, die einkommensabhängig 10'000, 20'000 Franken für die Prämien bezahlen sollen, werden politisch das Opting-out durchsetzen.» Heisst: Die Vermögenden würden nach Möglichkeiten suchen, um sich von den für sie hohen Prämien zu befreien.

In Deutschland beispielsweise, wo es einkommensabhängige Prämien gibt, könnten sich Reiche aus der Grundversicherung verabschieden und nur noch in die private Krankenversicherung einzahlen, so Oggier. Die Solidarität sei dann gleich null. Das heutige System mit den Prämienverbilligungen sei hingegen solidarisch. Diese Prämienverbilligungen müsse man nun ausbauen und optimieren, damit auch der untere Mittelstand profitiere.

Bürgerliche Zweifel am System

Doch in der Politik schwindet das Vertrauen in das heute geltende System mit Kopfprämien plus Prämienverbilligungen – und zwar nicht nur bei der politischen Linken. Kürzlich bekundete gar der Berner SVP-Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg seine Sympathien für einkommensabhängige Prämien.

Das System ist nahe am Versagen.
Autor: Gerhard Pfister Präsident der Mitte-Partei

Und Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagte letzte Woche im Bundeshaus: «Das System ist nahe am Versagen. Wenn selbst ein SVP-Gesundheitsminister diese Idee prüfenswert findet, sehe ich nicht, warum ich das nicht auch finden sollte.»

Die Aussagen des Berner Gesundheitsdirektors und des Mitte-Präsidenten zeigen: Die Forderung nach einkommensabhängigen Prämien dürfte in der heutigen Situation im Parlament wie auch in der Bevölkerung wohl auf mehr Wohlwollen stossen als in der Vergangenheit.

Echo der Zeit, 27.09.2023, 18 Uhr

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