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Hohe Omikron-Fallzahlen So rüsten sich Schweizer Spitäler für die «Superinfektionswoche»

Omikron katapultiert die gemeldeten Corona-Neuinfektionen derzeit in nie dagewesene Sphären. Zwar zeichnet sich ab, dass die Virusvariante für Geimpfte und Genesene weniger gefährlich ist – ein Anstieg der Hospitalisationen ist allerdings wahrscheinlich. Dafür wappnen sich die Institutionen. Diese Massnahmen haben ein grösseres und ein kleineres Spital im Köcher:

Superinfektionswoche: Diese Zahlen drohen

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Die Corona-Taskforce des Bundes erwartet den Höhepunkt der Omikron-Welle noch im Januar: In ein bis drei Wochen dürfte die Schweiz den Höchstwert an neuen täglich bestätigten Fällen verzeichnen. In einer einzigen Woche könnten sich dann dem Gremium zufolge 10 bis 30 Prozent der Bevölkerung mit Covid-19 anstecken. In absoluten Zahlen ergäbe dies 1 bis 2.5 Millionen Infizierte.

In dieser sogenannten Superinfektionswoche dürfte für 2500 bis 10'000 Menschen ein Spitaleintritt nötig werden. Auf der Intensivpflegestation könnte es laut der Taskforce zwischen 80 und 300 neue Einweisungen geben.

Zwei bis vier Wochen nach dem Höhepunkt der Welle, im Februar, würden die gemeldeten Neuinfektionen gemäss dem Taskforce-Szenario wieder unter 10’000 Fälle pro Tag fallen.

Unispital: «Szenario im oberen Bereich wäre enorme Belastung»

Das Universitätsspital Zürich, eines der grössten Spitäler hierzulande, blickt den nächsten Wochen mit einer gewissen Anspannung entgegen. «Ein Szenario im oberen Bereich würde eine enorme Belastung für das gesamte Gesundheitssystem bedeuten», schreibt das Spital auf Anfrage. Zum einen wegen der steigenden Anzahl Patienten – zum anderen aufgrund von vielen Personalausfällen, sei es wegen Krankheit oder fehlender Betreuung von Kindern.

Relevant für die Entwicklung der nächsten Wochen sei daher nicht nur die reine Zahl der Bettenbelegung und der Personalausfälle. Sondern auch, welche Bereiche und Berufsgruppen von Ausfällen betroffen seien, hält das Unispital fest. Bekanntermassen sei die personelle Situation auf den Intensivstationen ohnehin schon angespannt und Ausfälle würden sich dort rasch kritisch auf die Kapazitäten auswirken.

Reduktion der Wahleingriffe: Um Ressourcen für die Betreuung der Covid-Fälle freizuschaufeln, setzen die Spitäler den Hebel bei nicht dringlichen Operationen an. «Wir haben bereits anfangs Dezember die Wahleingriffe reduziert und vier Operationssäle geschlossen», schreibt das Kantonsspital Baselland in Liestal. Dies entlaste die Fachkräfte der Intensivpflegestation (IPS) und ermögliche es, für die Corona-Station das Personal bereitzustellen. Es bleibe aber wenig Spielraum.

Auch das Universitätsspital Zürich (USZ) priorisiert und verschiebt wenn nötig nicht dringliche Eingriffe, die einen Aufenthalt auf der IPS nach sich ziehen. «In der Regel bewegen sich diese Verschiebungen in einem Zeitraum von wenigen Stunden bis Wochen.» Das Potenzial, mit Verschieben von planbaren Operationen mehr Betten zu schaffen, sei allerdings «marginal». 

Blick in eine Schweizer Intensivstation.
Legende: Die personelle Situation auf Schweizer Intensivpflegestationen ist angespannt. Keystone

Neue Aufgaben für Angestellte: Bei steigender Belastung prüfen Spitäler, inwiefern sie ihr Personal mit neuen Aufgaben betrauen können. Im Kantonsspital Baselland heisst dies zum Beispiel: Operateure können auf die Corona-Station delegiert werden; Pflegeexpertinnen und Führungskräfte, die sonst im Büro arbeiten, werden für den «Fronteinsatz» einberufen.

Das USZ führt interne Pools an Mitarbeitenden in der Pflege, die Abteilungen bei Engpässen unterstützen. «Da viele Tätigkeiten eine Spezialisierung erfordern, sind diese Möglichkeiten aber begrenzt.» Zudem bestehe bei Pflegefachpersonen generell ein Mangel.

Berufsaussteigerinnen und -aussteiger zurückholen: Die Bündner Regierung hat neu beschlossen: Alle Einwohnerinnen und Einwohner, die über einen Abschluss als Pflegefachperson verfügen, aber nicht im erlernten Beruf tätig sind, müssen sich beim Kanton melden . Sie können allenfalls einberufen werden.

Das Kantonsspital Baselland hat im Dezember dazu aufgerufen, sich über den Pflegepool zur Unterstützung zu melden. Auch das Universitätsspital Zürich steht mit Berufsaussteigern in Kontakt: «Das USZ konnte während der Pandemie ein paar dieser Intensivpflegefachpersonen anstellen.»

Eine Mitarbeiterin einer Teststation führt einen Covid-Schnelltest im Labor durch.
Legende: Pflegekräfte des Kantonsspitals Baselland, die von der Quarantäne befreit werden, müssen sich täglich testen lassen. Keystone

Quarantäne und Isolation verkürzen: Spitäler, deren Personal von Corona betroffen ist, können in Absprache mit den kantonalen Gesundheitsbehörden von Quarantäne-Erleichterungen profitieren: Im «Ausnahmefall», bei «Systemrelevanz» und «mit gründlicher Überprüfung» der positiv getesteten Kontaktperson befreit das Kantonsspital Baselland Fachkräfte von der Quarantäne. «Die betroffenen Mitarbeitenden müssen täglich getestet werden.» Eine Isolations-Erleichterung würde das Spital nur im Notfall in Erwägung ziehen, «wenn durch den Ausfall von Schlüsselpersonen die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung gefährdet wäre».

Inselspital Bern: Personalausfälle bereiten Sorgen

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Aus den vergangenen Corona-Wellen sei man «sturmerprobt» und auf verschiedene Szenarien vorbereitet, heisst es bei der Insel-Gruppe Bern auf Anfrage. Aufgrund der raschen Ausbreitung von Omikron rechnet das Spital im Januar mit einem deutlichen Anstieg der Hospitalisierungen – «vor allem auf den Bettenstationen, in geringerem Mass auch auf der Intensivstation».

«Im Unterschied zu früher» stünden in der Omikron-Welle jedoch Personalausfälle stärker im Vordergrund. «Aktuell können diese innerhalb der Insel-Gruppe noch meist in den Teams oder durch Personalverschiebungen abgefangen werden», schreibt das Spital. Die hohe Impfquote der Mitarbeitenden spiele dabei in die Karten. Man rechne allerdings auch beim Personal in den kommenden Wochen «mit einem weiteren Anstieg der Ausfälle durch Infektionen oder Quarantäne».

Ähnlich tönt es aus Zürich: «Jeder Antrag wird individuell geprüft», schreibt das USZ. Bis jetzt könne man personelle Engpässe aber noch intern auffangen. «Auch die Option zur Arbeit in Isolation muss zum jetzigen Zeitpunkt nicht genutzt werden. Die Situation ist aber sehr dynamisch und kann sich jederzeit ändern.» Ausgeschlossen sei, «dass jemand positiv getestet wird und dann direkt weiterarbeitet».

Taskforce: Ein Modell ist keine detaillierte Prognose

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Das Modell der Taskforce beruht auf Annahmen und soll nicht als detaillierte Prognose verstanden werden, wie diese im aktuellen wöchentlichen Bulletin schreibt: «Es dient lediglich dazu, grob abschätzen zu können, wie lange die Ansteckungen in der Schweiz weiter zunehmen werden, wie viele Menschen beim Höchstwert der epidemischen Welle gleichzeitig infiziert sind, und wie schnell die Ansteckungen nach Erreichen des Höchstwerts zurückgehen könnten.»

Die Unsicherheiten des Modells: Der weitere Verlauf der Pandemie hängt unter anderem davon ab, ob und wie fest die Bevölkerung ihre Kontakte einschränkt, wie stark der Booster eine Infektion verhindert und wie gut eine doppelte Impfung bei Omikron vor einer Hospitalisierung schützt.

Eine grosse Unbekannte ist zudem die hohe Dunkelziffer der Ansteckungen: Die Taskforce nimmt – basierend auf Studien aus früheren epidemischen Wellen – an, dass «die bestätigten Fälle nur einem Drittel bis der Hälfte der tatsächlichen Ansteckungen» entsprechen.

Spitalkapazitäten in der Schweiz

SRF 4 News, 12.01.2022, 14:00 Uhr

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