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Da, wo Flüchtlinge einst in den Tod geschickt wurden, erinnert man heute an sie
Aus Regionaljournal Basel Baselland vom 23.02.2023. Bild: SRF/Simone Weber
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Holocaust-Gedenkstätte Trotz Unterstützung der Uni kein nationaler Gedenkort

Riehen – ein ruhiger Vorort von Basel. Hier, in einem alten Bahnwärterhaus, hat Johannes Czwalina vor bald zwölf Jahren eine Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust errichtet.

Das Bahnwärterhaus ist der richtige Ort, um sich zu erinnern.
Autor: Eric Petry Zentrum für Jüdische Studien, Universität Basel

Die Wahl des Standorts der Gedenkstätte in Riehen ist nicht zufällig: Das Bahnwärterhaus liegt nur wenige Schritte vom Gebiet der «eisernen Hand» entfernt.

Die Schweiz ragt bei Riehen wie ein schmaler Finger ins deutsche Gebiet hinein: 300 Meter breit und 1.7 Kilometer lang. Während des Zweiten Weltkriegs flüchteten zahlreiche Jüdinnen und Juden via «eiserne Hand», einer Lücke im Grenzzaun zwischen Deutschland und der Schweiz, nach Basel.

Das Bahnwärterhaus in Riehen ist eine von 60 kleineren Gedenkstätten. 60'000 Leute besuchten das Häuschen seit seiner Errichtung.

«Das Bahnwärterhaus ist der richtige Ort, um sich zu erinnern», sagt Eric Petry, stellvertretender Leiter des Zentrums für jüdische Studien der Universität Basel. «Es ist einer dieser Grenzorte, an denen sich Geschichte abspielte – im wahrsten Sonne des Wortes.» Während des Zweiten Weltkrieges schickte die Schweiz Tausende Jüdinnen und Juden, denen die Flucht in die Schweiz gelang, zurück in den sicheren Tod – auch in Riehen beim Bahnwärterhaus.

Historisches Bild des KZ Ausschwitz. Man sieht Zugschienen, die zum KZ führen und das KZ, aber keine Menschen.
Legende: Während des Zweiten Weltkrieges versuchten viele Jüdinnen und Juden in die Schweiz zu flüchten, um dem Konzentrationslager der Nazis zu entgegen. Die Schweiz schickte viele von ihnen zurück nach Nazideutschland. Bild: Ausschwitz. KEYSTONE/WIENER LIBRARY/FILE/HANDOUT

Trotz Petrys Begeisterung für den Ort gab es zwischen der Gedenkstätte in Riehen und der Universität Basel lange keine Zusammenarbeit. Die Ansprüche, die Gedenkstätte-Gründer und Theologe Czwalina an den Ort stellte, deckten sich nicht mit dem akademischen Anspruch der Universität.

Bessere Anerkennung dank Uni

Dieser Zwist ist nun beendet: Die Universität Basel will die akademische Leitung der Gedenkstätte übernehmen und deren Gründer Czwalina sich auf die Leitung des Hauses beschränken, also darauf, Führungen und Vorträge zu organisieren sowie Helferinnen und Helfer zu koordinieren.

«Stolpersteine»: Kleine Gedenkstätten, die an Nazi-Opfer erinnern

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Legende: «Stolpersteine» mit Angaben zu konkreten Nazi-Opfern wurden auch in vielen Schweizer Städten verlegt. KEYSTONE/DPA/Bodo Schackow

Eingelassen im Boden erinnern die sogenannten «Stolpersteine» an Opfer der Nazis, unter ihnen natürlich viele Jüdinnen und Juden. Die Steine werden an ehemaligen Wohn -oder Arbeitsorten der Opfer gesetzt. Die Initiative dazu kommt vom deutschen Künstlerehepaar Gunther und Katja Demnig. In der Schweiz wurden Stolpersteine in den Regionen Basel, Zürich, Winterthur und Kreuzlingen verlegt. Dieses Jahr sollen weitere Steine in Bern und St. Gallen verlegt werden.

Jeder Stolperstein erinnert an einen bestimmten Menschen und dessen Geschichte, egal ob jüdisch oder nicht.

Als nationale Gedenkstätte eignen sich die auf viele Kantone und Staaten verteilen Steine nicht.

Diese Neuorientierung könnte der Gedenkstätte zu nationalem Ruhm verhelfen. Seit Jahren ist die Schweiz, die bisher keinen nationalen Gedenkort für die zahlreichen Opfer der Nazis hat, nämlich auf der Suche nach einer solchen. Im März 2022 erteilte das Parlament dem Bundesrat dann den Auftrag, eine Gedenkstätte zu errichten.

«Das Mahnmal soll auch an diejenigen Männer, Frauen und Kinder erinnern, denen die Schweizer Behörden fälschlicherweise die Rettung verweigert haben», argumentierte Nationalrat Daniel Jositsch, der den entscheidenden Vorstoss eingereicht hatte. «Und an jene Schweizerinnen und Schweizer, die sich dem Nationalsozialismus entgegengestellt haben.»

Dass das Bahnwärterhaus in Riehen zur nationalen Gedenkstätte wird, ist trotz Mitarbeit der Universität aber unwahrscheinlich. Historikerin Fabienne Meyer, die Teil der Arbeitsgruppe für die nationale Gedenkstätte ist, sagt: «Eine nationale Gedenkstätte sollte idealerweise in der Hauptstadt sein, also in Bern.» Das habe nebst der guten Erreichbarkeit des Ortes aus allen Landesteilen auch mit dessen Symbolik zu tun. Denn bei der Gedenkstätte sollte es auch um die historische und politische Verantwortung der Schweiz gehen.

Die Stärke des Bahnwärterhauses ist, dass man einen lokalen und regionalen Bezug zur Geschichte herstellen und erleben kann.
Autor: Fabienne Meyer Historikerin, Mitglied Arbeitsgruppe nationale Gedenkstätte

«Die Stärke des Bahnwärterhauses in Riehen ist, dass man einen lokalen und regionalen Bezug zur Geschichte herstellen und erleben kann», lobt Meyer. Das habe grossen Wert. «Eine nationale Gedenkstätte sollte aber losgelöst von der Regionalität betrachtet werden.»

Regionaljournal Basel, 07.03.2023, 06:31 Uhr;

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