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Das Interview mit dem Chefseelsorger des Bistums St. Gallen
Aus Regionaljournal Ostschweiz vom 22.03.2021. Bild: BISTUM ST. GALLEN
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Homosexuelle Paare in Kirche Bistum St. Gallen segnet weiter

Rom will homosexuelle Paare nicht segnen. Das Bistum St. Gallen findet das falsch und ändert seine Praxis nicht.

Bereits letzte Woche hagelte es Kritik am neuen Vatikan-Papier. Auch die Bistümer Basel, Chur und St. Gallen haben eine andere Meinung als der Vatikan, der den gleichgeschlechtlichen Paaren die Segnung verweigert. Als Begründung heisst es im publizierten Papier der Glaubenskongregation aus Rom: Dies würde eine Lebenspraxis fördern, die nicht Gottes Plan entspreche.

Von der Seelsorge her habe ich für diese Segensspende überhaupt keine Fragezeichen.
Autor: Franz Kreissl Pastoralamtsleiter Bistum St. Gallen

«Die Kirche darf niemanden vom Segen ausschliessen», kritisiert der Pastoralamtsleiter in St. Gallen, Franz Kreissl (62) und erhält Rückendeckung aus Basel von Bischof Felix Gmür (54). Er sagt, die römische Sexualmoral müsse sich weiterentwickeln. Und der neue Bischof von Chur, Joseph Bonnemain (72), kündigte an, mit Seelsorgenden ein Gespräch zu suchen, wenn sie schwule und lesbische Paare trauen wollten – denn es gehe um «Unterscheidung», nicht um Verbote.

Schon Jesus hat gesagt, ihr seid nicht die Kontrollbehörde für Gottes Zuwendung - und wenn, dann seid ihr nur Vermittler.
Autor: Franz Kreissl Pastoralamtsleiter Bistum St. Gallen

Insbesondere das Bistum St. Gallen hat mit seinen Äusserungen für Aufsehen gesorgt. Mit ihrem Schreiben mache sich die Glaubenkongregation zur Kontrolleurin darüber, wen Gottes Segen erreichen dürfe und wen nicht – «und das ist unangemessen und falsch», hat die Bistumsleitung in ihrer Mitteilung als Reaktion auf das Vatikan-Papier geschrieben.

Franz Kreissl

Franz Kreissl

Mitglied der St. Galler Bistumsleitung

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Franz Kreissl ist seit bald 15 Jahren Pastoralamtsleiter und in dieser Funktion gehört er zum Leitungsteam des Bistums St. Gallen. Offiziell heisst dieses Leitungsgremium Ordinariatsrats. Der 62-jährige Franz Kreissl hat in München und Freiburg sein Theologiestudium absolviert, bevor er 1986 ins Bistum St. Gallen kam.

Er arbeitete zuerst als Pastoralassistent im Rheintal und schliesslich bis 2003 im Obertoggenburg. Franz Kreissl präsidierte vier Jahre lang den Rat der hauptamtlichen Laienseelsorgerinnen und Seelsorgern und war unter anderem auch Seelsorger in einer psychiatrischen Klinik tätig. Franz Kreissl ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder.

Aber hat das Bistum St. Gallen tatsächlich den Mut auf Distanz zu gehen zu den katholischen Vorgaben aus Rom? Darauf sagt Franz Kreissel gegenüber SRF News, dass dieses Papier aus Rom weder ein neues Gesetz noch ein neues Dogma sei. Es sei lediglich eine Antwort auf einen Zweifel aus der Glaubenskongragation.

Wir können als Kirche den Segen Gottes nicht einschränken.
Autor: Franz Kreissl Pastoralamtsleiter Bistum St. Gallen

Jemand aus der Kongregation hätte eine Frage gestellt und diese sei im Rahmen des Gesetzes beantwortet worden. Unsere Antwort darauf, so Kreissl: «Wir haben nicht die Macht zu sagen, wo der Segen wirkt oder eben nicht wirkt.»

Kann also ein gleichgeschlechtliches Paar im Bistum St. Gallen bei den Seelsorgenden den Segen für seine Partnerschaft erbitten? Er habe noch nie erlebt, dass ein Paar angeklopft und danach gefragt habe, so Kreissl. Häufig wendeten sich Paare an Seelsorgende, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis hätten. «Und da weiss ich, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt, die dieser Bitte dann entsprechen.»

Über 230 Theologieprofessoren protestieren gegen Segnungsverbot

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Legende: Archiv Keystone

Mit dem Entscheid, dass homosexuelle Paare in der katholischen Kirche nicht gesegnet werden dürfen, hat der Vatikan einen Proteststurm entfacht.

Mehr als 230 Theologieprofessorinnen und -professoren aus dem deutschen Sprachraum protestieren jetzt in einer Stellungnahme gegen dieses Segnungsverbot. Unterzeichnet haben diese Stellungnahme auch zehn Professorinnen und Professoren aus der Schweiz.

Erinnerung an Kölner Erklärung von 1989

Die Erklärung der römischen Glaubenskongregation sei «von einem paternalistischen Gestus der Überlegenheit geprägt» und diskriminiere homosexuelle Menschen und ihre Lebensentwürfe, kritisieren die Experten. Von dieser Position distanzierten sie sich entschieden – und weiter: «Das Leben und Lieben gleichgeschlechtlicher Paare sind vor Gott nicht weniger wert als das Leben und Lieben aller anderen Paare.» In vielen Gemeinden würden Priester, Diakone und andere Seelsorger und Seelsorgerinnen Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare anbieten.

Die Stellungnahme der Theologieprofessoren erinnert an die sogenannte Kölner Erklärung von 1989. In diesem Memorandum mit dem Titel «Wider die Entmündigung» hatten ebenfalls mehr als 220 Theologieprofessorinnen und -Professoren die nach ihrer Meinung autoritäre Kirchenpolitik des damaligen Papstes Johannes Paul II. kritisiert.

Dies sei nun nicht als Aufforderung zu verstehen, gleichgeschlechtliche Beziehungen aktiv zu segnen. Diesen Entscheid müssten Seelsorgende und Priester selber fällen, sagt Kreissl weiter. Häufig seien solche Segnungen nicht. Dem Bistum St. Gallen ist nur eine Handvoll Seelsorgende bekannt, die homosexuelle Paaren den kirchlichen Segen gegeben haben.

Die Reaktionen der SRF-Userinnen und SRF-User auf das Segensverbot aus Rom waren immens. Viel Hundert Kommentare wurden abgesetzt, so auch von Daniel Andenmatten: «Eine in sich selbst immer enger verschliessende Organisation, die immer mehr Menschen ausgrenzt. Schade für die ursprünglich einmal gute Grundidee dieses Elementes in der Gesellschaftsvielfalt.»

Wenn Homosexuelle nicht in Gottes Plan sind, warum gibt es sie dann? Sind nicht ausnahmslos alle Wesen Gottes?
Autor: Albert Planta SRF User

Das Vatikan-Papier hat einen «Shitstorm» auf den Papst ausgelöst, schreibt User Tobias Anthamatten auf der Online-Plattform von SRF in seinem Kommentar: «Zur Verteidigung unseres Papstes möchte ich nur hinzufügen, dass in der katholischen Kirche jeder Mensch herzlich willkommen ist, weil Jesus jeden Menschen liebt – trotz seiner Fehler und Schwächen.»

Regionaljournal Ostschweiz, 22.03.2021, 17:30 Uhr

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