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Hürden für den Zivildienst Ist ein 37-mal längerer Einsatz verhältnismässig?

Der Bundesrat will den Wechsel zum Zivildienst unattraktiver machen. Er lässt offen, ob die Pläne verfassungskonform sind.

Es sei «vertretbar», die Hürden für den Zivildienst massiv zu erhöhen, damit in Zukunft wieder mehr Männer Militärdienst leisten. Das hat der Bundesrat im Juni 2018 festgehalten, als er seine Massnahmen zur Änderung des Zivildienstgesetzes in die Vernehmlassung schickte.

Deren Umsetzung liege «im hochgewichtigen öffentlichen Interesse», schrieb der Bundesrat. Und: «Die vorgeschlagenen Änderungen des Zivildienstgesetzes sind verfassungskonform.» Seit Mitte Februar liegt nun die Botschaft zu den Verschärfungen im Zivildienstbereich vor.

Textbausteine fehlen in der Botschaft

Darin klingt es nun anders. Im Kapitel über die Vereinbarkeit der Massnahmen mit den Grundrechten sind ganze Textbausteine verschwunden. Die wesentlichsten Argumente, weshalb die Massnahmen verfassungskonform seien, hat man entfernt. Dafür fragt sich der Bundesrat bei zwei der acht Massnahmen sogar selbst, ob sie wirklich verfassungsmässig seien.

Nachdem der Bundesrat in der Vernehmlassung gesagt hat, dass alles verfassungskonform sei, wird jetzt plötzlich diese Frage gestellt.
Autor: Josef Dittli FDP-Ständerat

Eine Massnahme führt zum Beispiel dazu, dass der Zivildienst im Extremfall 37-mal länger dauert als der Militärdienst – etwa dann, wenn jemand, der den Militärdienst schon fast beendet hat, sich doch noch für den Zivildienst entscheidet.

Hier stelle sich «die Frage der Verfassungsmässigkeit mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und bezüglich des Rechtsgleichheitsgebotes», schreibt der Bundesrat. Und er gibt unverblümt zu, es bestünden «gewisse verfassungsrechtliche Bedenken».

Überraschung bei der Kommission

Sowas haben die Parlamentarier noch nie erlebt. Josef Dittli von der FDP, Präsident der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates, sagt: «Ich bin sehr überrascht. Nachdem der Bundesrat in der Vernehmlassung sagte, dass alles verfassungskonform sei, wird plötzlich diese Frage gestellt.» In der Kommission werde man sich das sicher genau anschauen.

Der Bundesrat hält es nicht für nötig, die Vorlage entsprechend abzuändern. Das ist seltsam.
Autor: Priska Seiler Graf SP-Nationalrätin

Der Präsident der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates, Werner Salzmann von der SVP, kann nicht nachvollziehen, weshalb der Bundesrat dem Parlament Massnahmen unterbreite, die er selber infrage stelle: «Das ärgert mich sehr. Das Hauptziel ist, 18'000 Mann und Frau pro Jahr für die Armee sicherzustellen. Eine solche Äusserung ist absolut kontraproduktiv.»

Ratslinke traut ihren Augen nicht

Baff ist man auch auf der linken Ratsseite. Nationalrätin Priska Seiler Graf von der SP – auch sie ist Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission – sagt: «Das kommt bei mir sehr schräg an.» Sie sei ebenfalls der Meinung, dass die Verhältnismässigkeit nicht gewährleistet sei. «Das haben wir auch in der Vernehmlassung gesagt. Nun erwähnt das der Bundesrat selber, hält es aber nicht für nötig, die Vorlage entsprechend abzuändern. Das ist seltsam.»

Bundesrat Guy Parmelin, dessen Departement die Vorlage ausgearbeitet hat, sieht darin hingegen kein Problem: «Wir denken, das ist in Ordnung. Das ist eine Interessenabwägung zwischen der Sicherheit der Schweiz und den Personen. Und unsere Juristen sagen, das sei verhältnismässig.»

Sie finden immer Juristen, die sagen, ja, das ist verhältnismässig, und andere, die nein sagen.
Autor: Guy Parmelin Bundesrat

Dass der Bundesrat die Verfassungsmässigkeit der Massnahmen selber anzweifelt, ist für Parmelin nichts Aussergewöhnliches: «Sie finden immer Juristen, die ja sagen, und andere, die nein sagen.» Ob das auch das Parlament so sieht, wird sich ab nächstem Montag zeigen. Dann diskutiert die Ständeratskommission erstmals über die Vorlage.

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