Hand aufs Herz: Wenn Sie «Thurgau» hören, woran denken Sie? Äpfel? Oder vielleicht Erdbeeren? Oft wird der Thurgau tatsächlich auf den Obstbau reduziert. Das hat auch der Unternehmer Hermann Hess erlebt, als der von 2015 bis 2017 für die FDP im Nationalrat sass. «Als Nationalrat war ich überrascht, wie wenig man über den Thurgau weiss, und dass man teilweise herablassende Meinungen hörte», sagt der 70-Jährige.
Fortschritt statt Rückständigkeit
Man müsse weg vom Image eines rückständigen Landwirtschaftskantons, hin zu einem Wirtschaftskanton und zu einer Tourismus-Hochburg. Man müsse als fortschrittlich gesehen werden, so Hess. «Schauen Sie den Thurgauer Tourismus an. Der ist wahnsinnig schwach.»
Deshalb hat er nun ein Projekt ins Leben gerufen. Hess stellte «Open Thurgau» kürzlich der Öffentlichkeit vor. Die Idee dahinter : Der Kanton brauche eine eigene Kommunikationsagentur. Die Interessen der Wirtschaft, des Tourismus, der Politik und der Wohnbevölkerung sollen vertreten sein. Damit soll auch das Image des Kantons aufpoliert werden. «Es wäre gut, wenn man das von der kantonalen Verwaltung abkoppeln würde», sagt Hess.
Regierungspräsidentin anderer Meinung
Von diesem Projekt hat auch Regierungspräsidentin Monika Knill erfahren und ist zwiegespalten. Einerseits sei es löblich, dass sich Ex-Nationalrat Hess Gedanken mache, andererseits gehe er mit dem Thurgau und seinem Image zu hart ins Gericht. «Es braucht kein besseres Image. Das würde bedeuten, dass wir jetzt ein schlechtes haben. Diese Auffassung teile ich nicht», sagt Knill.
Was macht den Kanton Thurgau aus?
Regierungspräsidentin Monika Knill hat eine andere Idee. Sie möchte enger mit den bestehenden Verbänden und Organisationen zusammenarbeiten. Damit könne man die Kräfte bündeln und sich gegenseitig unterstützen.
Vergleich mit dem Kanton Tessin
Einer, der hinter der Idee von Hermann Hess steht, ist Jérôme Müggler, Direktor der Industrie- und Handelskammer Thurgau: «Dem Kanton Thurgau täte es gut, die Kombination zwischen Wohnort, Natur, dem See und spannenden Arbeitsplätzen zu zeigen. Mit dem Apfel-Image bleibt der Kanton unter seinen Möglichkeiten.»
Hess beispielsweise vergleicht den Thurgau mit dem Kanton Tessin. «Dort spricht man von Kunst, vom Filmfestival, von der Universität, der Industrie oder der Verknüpfung mit Italien», sagt der Unternehmer. Das liesse sich aber nicht vergleichen, sagt Rolf Müller, Chef von Thurgau Tourismus, das – natürlich – einen Apfel im Logo hat.
Wir sind ein überraschender Ort. À la: ‹Ach, hier ist es auch schön›
«Auch wenn wir uns anders entwickelt hätten, hätten wir nie diesen Zugriff auf die Gäste wie das Tessin. Der Thurgau ist ein überraschender Ort. À la: ‹Ach, hier ist es auch schön›», so Müller. Die Idee von Hess findet er grundsätzlich spannend und er könne sich vorstellen, mitzuwirken. So wichtig sei der Apfel für den Thurgau aber gar nicht: «Ich glaube, dass der Apfel nicht diese Markenkraft hat, wie Hermann Hess das negativ suggeriert.» Der Apfel im Thurgau wird vom Leitsymbol zum Politikum.