Kirschen, Aprikosen, Zwetschgen, Heidelbeeren – Sommerfrüchte werden immer grösser. Am extremsten die Kirschen. Vor 20 bis 30 Jahren war ein Durchmesser von etwa 20 Millimetern ganz normal. Dann ging das Wettrüsten los.
Anfang 2000 wurde von den Obstbauern und dem Detailhandel die Klasse «Extra» mit Kirschen ab 24 Millimetern eingeführt. Ein paar Jahre später kam die «Premium» Sorte. Das sind Kirschen, deren Durchmesser 28 Millimeter übersteigt. Fast drei Zentimeter.
Und seit mehrheitlich grosse Kaliber in den Läden sind, würden die Kleinen schnöde verschmäht, sagt der Direktor des Obstbauernverbandes Jimmy Mariéthoz. Die Früchte der alten Hochstammbäume, die je nach Wetter grösser oder kleiner werden, will offenbar niemand mehr.
Ab nächstem Jahr, teilweise heute schon, erhalten Obstbauern keinen roten Rappen mehr, die dem Handel Kirschengrössen unter 24 Millimetern abliefern. So hat es die Branche beschlossen. Dann heisst es entweder fortwerfen oder direkt am Baum hängen lassen.
Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht
Und die gleiche Entwicklung sehen wir auch bei Aprikosen, Zwetschgen und Erdbeeren. Doch wollen wir das wirklich? Obstverband und Detailhandel sagen Ja. Die Entwicklung sei klar von den Konsumenten getrieben. Im Laden kämen kleinere Früchte schlechter weg. Besonders wichtig sei die Grösse bei Kiwi, Aprikosen, Avocado oder Spargeln, beobachtet Migros.
Doch ist grösser auch besser? «Nein», meint Migros-Sprecherin Cristina Maurer, «bei gewissen Früchten ist Grösse negativ. Bei Trauben, Tomaten oder Citrus-Früchten. Und je grösser Orangen oder Clementinen sind, desto weniger saftig sind sie auch.»
Der Trend zur Grösse hat auch Auswirkungen auf unsere Landschaft, Bäume und Sorten. Die alten Hochstämmer werden gefällt, gepflanzt werden kleine Bäume mit grösseren Früchten. Diese deckt man ab und bewässert sie, damit ja alles perfekt wird.
Und noch etwas fällt Obstverbands-Präsident Jimmy Mariéthoz auf. Als Gesellschaft wollen wir alte Sorten, ausladende Hochstammbäume und wenig Gift. Doch im Laden kaufen wir dann doch meist etwas anderes.
Kleinere Früchte zu billigeren Preisen? «Zwecklos»
Wie wäre es, weniger perfekte Früchte einfach günstiger zu verkaufen, anstatt auf immer grösser umzurüsten? «Zwecklos, die Leute kaufen mit dem Auge – der Preis ist sekundär», ist der Obstverband überzeugt.
Coop versucht hingegen genau das. Unter dem Label «Unique» werden nicht ganz so perfekt gewachsene Gemüse und Früchte verkauft, zu einem günstigen Preis. Unique geniesse zwar viele Sympathien, sagt Coop-Sprecher Urs Meier. «Aber wir müssen ehrlich sein, die breite Masse kauft so etwas nicht.»
Hat der Gigantismus auch Grenzen? Ja, sagt Jimmy Mariéthoz. Die Grenze ist dort, wo es die Konsumenten nicht mehr natürlich finden. «Aber die Kirsche wird sicher noch 3,5 Zentimeter gross – oder mehr», prophezeit Mariéthoz. Das ist so gross wie eine Baumnuss.
Und als nächstes dran beim Wettrüsten um Grösse: Heidelbeeren, Himbeeren und Brombeeren.