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Immer mehr Patientinnen Mehr Essstörungen: Kliniken bauen aus

Fachleute stellen vermehrt Patientinnen mit Essstörungen fest. Therapiezentren werden ausgebaut – zum Beispiel in Bern.

Ein grauer Neubau mitten im Dorfzentrum von Moosseedorf, einem Vorort von Bern: Hier ist das Therapiezentrum für Essstörungen. Die heute 17-jährige Lea betrat letzten Spätsommer das Zentrum zum ersten Mal – und blieb vier Monate. «Während des ersten Corona-Shutdowns war ich sehr auf mich alleine gestellt», erinnert sie sich. «Es ging psychisch nur noch abwärts.» Lea ass nicht mehr und hatte starkes Untergewicht. «Ich war schwach und erschöpft, mir war wegen der Unterernährung ständig schwindlig und schwarz vor Augen.» Ihr Vater brachte sie deshalb in den medizinischen Notfall ins Spital.

Die Diagnose war klar. Lea litt an Anorexie, also Magersucht. Nicht klar war für die Ärztinnen und Ärzte, was mit der jungen Frau, welche eine Ausbildung zur Pflegefachfrau macht, geschehen soll. Das Problem: keine freien Behandlungsplätze für Betroffene dieser Krankheit.

Essstörungen – um was geht es?

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In der Schweiz leidet 3.5 Prozent der Allgemeinbevölkerung an Essstörungen, wobei sich die Erkrankung häufig bereits im (frühen) Jugendalter erstmalig zeigt. In den letzten Jahren stellten die Fachleute eine Zunahme der Anorexie (Magersucht) bei Jugendlichen und sogar bei Kindern fest.

Die Patientinnen und Patienten sind von zahlreichen körperlichen Problemen betroffen; zum Beispiel von Herz-Kreislauf-Problemen oder Hormonstörungen. Dazu kommen sogenannte psychosozialen Risiken, beispielsweise Leistungsabfall oder Depressionen. Am bekanntesten ist die Magersucht oder Anorexie. Es gibt aber auch die Bulimie, Essanfälle mit Kompensation oder selektives Essverhalten.

Erst ein paar Wochen nach der eigentlichen Diagnose konnte Lea in die stationäre Behandlung in Mosseedorf. Nach dem ersten Shutdown 2020 verzeichneten viele therapeutische Einrichtungen in der Schweiz einen starken Anstieg von jungen Patientinnen und Patienten. Gerade solche mit Essstörungen.

Die Zentrumsleiterin in Moosseedorf, Armita Tschitsaz, schlug bei der Klinikleitung Alarm. Die Warteliste mit Betroffenen aus dem ganzen Kanton war so lang, dass zum Teil auch lebensbedrohliche Fälle abgewiesen werden mussten, erinnert sich die Psychotherapeutin: «Die Patienten wurde nicht so behandelt, wie es nötig war. Teilweise erhielten sie gar keine Behandlung.»

Wir konnten teilweise nicht mehr alle behandeln.
Autor: Armita Tschitsaz Leiterin Therapiezentrum

Das sei oftmals gefährlich gewesen. Denn: Bei Essstörungen leidet der Körper zum Teil massiv, die Patientinnen, in den meisten Fällen sind es junge Frauen, drohen regelrecht zu verhungern.

Betroffene melden sich erst spät – das gehöre eben auch zum Krankheitsbild, sagt die Psychotherapeutin. Weshalb es in den Augen der Expertin umso wichtiger ist, dass Betroffene, wenn sie sich dann endlich melden – rasch behandelt werden können.

Das Therapiezentrum in Mooseedorf

Nach langen Vorbereitungen kann das Zentrum der Universitätsklinik Bern nun ausbauen. Die Klinik konnte ein weiteres Gebäude mieten, Personal einstellen, zusätzliche stationäre Betten einrichten und mehr ambulante Betreuung durchführen.

Nicht nur wegen Corona

Auch anderorts wird aufgestockt, zum Beispiel im Kantonsspital in Winterthur. Denn: Gemäss der Gesellschaft für Essstörungen verzeichnen Kliniken in der ganzen Schweiz seit gut eineinhalb Jahren mehr Patientinnen und Patienten. Zum Teil ist von mehr als einem Drittel als in den Jahren zuvor die Rede.

Das habe sicher mit Corona zu tun, aber nicht nur, sagt Armita Tschitsaz: «Auch der Zeitgeist spielt eine Rolle.» Sprich: Dünn sein ist ein Schönheitsideal, das mittels Social Media den Jungen immer wieder vor Augen geführt wird. Die Zentrumsleiterin rechnet deshalb auch nicht damit, dass die hohe Zahl der Fälle rasch wieder abnimmt.

Schon länger viele Patientinnen und Patienten

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Schon seit mehr als zehn Jahren sei die Anzahl junger Menschen, welche mit psychischen Problemen kämpfen und Hilfe suchen, gross, sagt Michael Kaess, Chefarzt der Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychologie der Universitätsklinik Bern UPD. Das heisse aber nicht, dass es der Jugend heute sehr schlecht gehe. Für Jugendliche sei es selbstverständlicher geworden, Hilfe zu suchen. «Das ist ein erwünschter Effekt», so Kaess. «Sie erhalten früh und rechtzeitig Hilfe, was sich auf bessere Heilungschancen niederschlägt.»

Behandelt werden die Patientinnen in Moosseedorf mit verschiedenen Formen von Psycho- und Gruppen-Therapien, sie lernen ihr Essverhalten zu kontrollieren, müssen zunehmen. Der 17-jährigen Lea, welche mit grossem Untergewicht letzten September in die Klinik kam, hat der Aufenthalt von gut vier Monaten geholfen. «Ich konnte einen grossen Schritt nach vorne machen.»

Doch noch immer besucht sie regelmässig eine Therapie. Sie hofft aber, dass der Klinik-Aufenthalt hier in Moosseedorf der letzte war.

Hier finden Sie Hilfe in der Coronazeit

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Corona beschäftigt uns alle. Unten finden Sie eine Liste mit Hotlines und Ratgebern rund um Corona.

BAG Infoline Coronavirus : 058 463 00 00 (täglich 6 bis 23 Uhr)

BAG Infoline Corona-Impfung : 058 377 88 92 (täglich 6 bis 23 Uhr)

Dureschnufe : Plattform für psychische Gesundheit rund um das neue Coronavirus

Angst und Panikhilfe Schweiz , Hotline: 0848 801 109 (10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr)

Eltern-Notruf Schweiz , Hotline: 0848 35 45 55 (24x7)

Pro Juventute , Hotline für Kinder- und Jugendliche: 147 (24x7)

Schweizer Sorgen-Telefon : 143 (24x7)

Suchthilfe Schweiz : Hotline für Jugendliche im Lockdown 0800 104 104 (Di. bis Do. 9 bis 12 Uhr)

Branchenhilfe.ch : Ratgeberportal für Corona betroffene Wirtschaftszweige

Rendez-vous, 5.10.2021, 12:30 Uhr

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