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Immer mehr Wolfsichtungen Der Wolf treibt die Schweizer Bergtäler um

Der Wolf spaziert zunehmend durch Dörfer. Seine Anwesenheit rüttelt auf – auch in Cevio im Kanton Tessin. Derweil ist das Referendum zum Jagdgesetz gescheitert.

Der Wolf taucht immer öfter in Siedlungsgebieten auf. So war es kürzlich in Cevio im Kanton Tessin oder in Vals in Graubünden.

Dies verunsichert die Bevölkerung zunehmend – und die Politik ist gefordert. Die Gemeindepräsidentin von Cevio, Moira Medici, hat zuletzt einen scharfen Brief an die Tessiner Kantonsregierung geschrieben. Darin formuliert sie dringende Forderungen, ansonsten sei sie gezwungen, «angemessene Massnahmen» unter Berufung auf die Polizeiklausel zu ergreifen.

Wenn die Geissen im Tal bleiben

Je näher der Wolf dem Menschen kommt, desto heftiger werden die Reaktionen. In Cevio etwa sind Unsicherheit, Angst oder Wut spürbar. Eine Frau sagt: «Wir müssen den Wolf davonjagen. Er ist gefährlich.» Und auch der Gemeindeschreiber, Fausto Rotanzi, findet: «Die Bevölkerung macht sich Sorgen. Der Wolf ist gefährlich, macht Angst – egal, ob dies begründet oder unbegründet ist.»

Eine Antwort aus Bellinzona stehe noch aus, so Rotanzi. Dort verweist man auf das geltende Jagdgesetz.

Jagdgesetz: Referendum gescheitert

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Das Referendum zum Jagdgesetz ist nicht zustande gekommen. Von den nötigen 50'000 Unterschriften konnten laut dem Referendumskomitee nur rund zwei Drittel gesammelt werden. Das revidierte Jagdgesetz mit den Änderungen vom vergangenen Dezember kann nun umgesetzt werden.

Den Grund für das Scheitern sieht das Komitee in der fehlenden Unterstützung der grossen Naturschutzorganisationen und der Parteien. Auch in den Medien sei das Referendum kaum aufgenommen worden, heisst es in einer Mitteilung der Gruppe «Wolfs-Hirten». Die Umweltverbände Pro Natura, WWF Schweiz, Birdlife Schweiz und Gruppe Schweiz hatten auf ein Referendum gegen das revidierte Jagdgesetz verzichtet. Eine Koexistenz von Mensch und Tier sei auf der Basis des revidierten Gesetzes möglich, so ihre Argumentation.

Das Referendumskomitee kritisiert auch den Bundesrat: Die Schweizer Regierung habe es verpasst, nach dem Nein zum Jagdgesetz im Jahr 2020 «ein neues, modernes und wildtierfreundliches Jagdgesetz auszuarbeiten». Mit der Revision sei ein grosser Rückschritt im Artenschutz gemacht worden, so die Gruppe «Wolfs-Hirten».

Doch die Bevölkerung in Cevio nimmt den Wolf weiterhin als Problem wahr. Bergtäler wie ihres stünden vor Herausforderungen, sagt Fausto Rotanzi. Und auch der Landwirt Matteo Ambrosini findet: «Wenn es so weitergeht, bringe ich meine Geissen irgendwann nicht mehr auf die Alp.» Die Konsequenz ist für Ambrosini klar: Gewisse Produkte, wie beispielsweise der Valle-Maggia-Käse, würden aus seiner Hand nicht mehr hergestellt.

Gross machen, laut werden

Zu Begegnungen zwischen Wolf und Mensch ist es in Cevio bereits gekommen. Was gilt es bei diesen eher unüblichen Situationen zu beachten? Manuela von Arx, Zoologin der Stiftung Kora für Raubtierökologie und Wildtiermanagement, sagt: «Zunächst muss man ruhig stehen bleiben und dem Tier genug Raum lassen, sodass es sich selber zurückziehen kann.»

Ein Wolf in freier Wildbahn im Jahr 2013. Die Aufnahme entstand in Obergoms (VS).
Legende: Ein Wolf in freier Wildbahn im Jahr 2013. Die Aufnahme entstand in Obergoms (VS). KEYSTONE/Marco Schmidt

Wenn der Wolf den Menschen allerdings nicht bemerke, sollte man sich bemerkbar machen: Laut reden oder klatschen, sich gross machen, so von Arx, «spätestens dann geht das Tier eigentlich weg». Diese Botschaft scheint in der Bevölkerung bereits verfangen zu sein. Ines Schmidt aus dem nahe gelegenen Coglio sagt: «Sollte ein Wolf im Wald Anstalten machen, zu mir zu kommen, würde ich klatschen. Angst hätte ich keine.»

Es gibt eigentlich keine Hinweise, dass die Tiere gefährlich sind, wenn sie nicht auf einen Menschen gerichtetes Verhalten zeigen.
Autor: Manuela von Arx, Stiftung Kora

Trotzdem dürfte ein derartiges Verhalten Mut erfordern, denn der Wolf ist und bleibt ein Raubtier. Er erlegt Rehe, Rothirsche oder Wildschweine. Doch von Arx relativiert: «Es gibt eigentlich keine Hinweise, dass die Tiere gefährlich sind, wenn sie nicht ein auf Menschen gerichtetes Verhalten zeigen.» Kurz: Der Mensch überschätzt die Gefahr, die vom Wolf ausgeht.

Ein mulmiges Gefühl bleibt

Dazu kommt, dass der Wolf gemäss von Arx den Kontakt zu Menschen nicht wirklich sucht. Sie führt aus: «Die Wölfe meiden Menschen grundsätzlich – nicht aber menschliche Infrastrukturen.» Deshalb sei es überhaupt möglich, dass die Tiere in der dicht besiedelten Schweiz durch Dörfer streifen.

Die Gründe sind gemäss Zoologin von Arx vielseitig: «Vielleicht folgen sie Huftiere, die in der Nähe von Häusern äsen.» Oder, wie im Fall von Cevio, es sei ein Jungwolf auf der Abwanderung, der einfach zufällig durch das Maggiatal gelaufen sei.

Dort bleibt der Wolf derweil Thema. Nicht erst seit heute. «Wir leben schon seit 20 Jahren mit dem Gefühl, dass der Wolf einmal kommt. Nun ist es halt so weit», sagt Eva Frei aus Cevio. Doch ein mulmiges Gefühl bleibt auch bei ihr zurück.

SRF 4 News, 11.04.2023, 12:00 Uhr ; 

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