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«Institutionelle Krise» Bundesanwalt greift Aufsichtsbehörde frontal an

  • Bundesanwalt Michael Lauber will trotz des zunehmenden Drucks in seinem Amt bleiben.
  • Dass das ominöse dritte Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino zur aktuellen Situation geführt habe, sei geradezu absurd.
  • Die Aufsichtsbehörde griff Lauber vor den Medien aufs Schärfste an und prangerte eine «heraufbeschworene institutionelle Krise» an.

Der Bundesanwalt Michael Lauber sprach von einem «Eingriff in die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft» und einer «heraufbeschworenen institutionellen Krise». Er warf der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) vor, dass sie nicht von einer Vertrauensbeziehung ausgehe. Aussagen würden aus dem Zusammenhang gerissen.

Dagegen werde er kämpfen und auch nicht von seiner Kandidatur absehen. «Jetzt erst recht», sagte Lauber.

Dass informelle Treffen nicht protokolliert worden seien, sei die Ursache für die heutige «gravierende Situation», räumte Lauber ein. «Dafür trage ich die volle Verantwortung.» Auch sei es nicht optimal, dass er das mögliche dritte Treffen mit dem Präsidenten der Fifa, Gianni Infantino, nicht von sich aus wiedergefunden habe.

«Ich lüge nicht»

Lauber blieb dabei, dass er sich nicht erinnert. «Ich verstehe sehr wohl, dass es schwierig ist, das zu verstehen», sagte er. Er sei aber der Wahrheit verpflichtet. «Ich lüge nicht.» Zuvor war Lauber von einer Subkommission der Geschäftsprüfungskommission befragt worden.

Die AB-BA gab bekannt, dass sie eine Disziplinaruntersuchung eröffnet. Sie will mögliche Amtspflichtverletzungen des Bundesanwaltes beim Fifa-Verfahrenskomplex klären.

Aufsichtseingabe gegen Aufsichtsbehörde

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Michael Lauber hat bei der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des eidgenössischen Parlaments eine Aufsichtseingabe gegen die von ihm kritisierte Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft eingereicht. Dies sei bereits vor etwas mehr als einem Monat erfolgt, bestätigt Hans Stöckli eine Meldung des Tagesanzeigers. Der Berner SP-Ständerat ist Leiter der zuständigen Subkommission.

Mit der Untersuchung wird eine externe Fachperson betraut. Damit wolle sie ein objektives Verfahren sicherstellen, schrieb die Aufsichtsbehörde. Um wen es sich handelt, soll später mitgeteilt werden. Mögliche Folgen einer Disziplinaruntersuchung sind eine Verwarnung, ein Verweis oder eine Lohnkürzung für maximal ein Jahr.

Einschätzung von SRF-Bundeshaus-Redaktorin Nathalie Christen

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SRF News: Was ist von Laubers Gegenangriff zu halten?

Nathalie Christen: Das war eine Überraschung. Niemand hat damit gerechnet, dass Lauber derart heftig in den Gegenangriff geht. Er wirkte wie ein Verletzter, der um sich schlägt, um sich zu verteidigen. Der Vorwurf, die Aufsicht greife in die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft ein mit ihrer Disziplinaruntersuchung, ist sehr gravierend. Lauber findet ja, die Aufsicht sollte ihm mehr Vertrauen entgegenbringen.

Ist das wirklich die Aufgabe einer Aufsicht?

Laubers Erwartung tönt auf den ersten Blick tatsächlich eher absurd, schliesslich sollte eine Aufsicht nicht einfach vertrauen, sondern den Fakten nachspüren. Doch zwei Juristen, mit denen ich sprechen konnte, finden Laubers Haltung nicht ganz abwegig.

Die Aufsicht müsse die Bundesanwaltschaft zwar durchaus kontrollieren, ihr aber auch den Rücken stärken, soweit sie dies vertreten könne.

In diesem Licht sei eine Disziplinaruntersuchung ein sehr hartes Instrument, dann noch so kurz vor einer Wahl – tatsächlich gab es das ja seit 30 Jahren nicht mehr.

Denn eine Disziplinaruntersuchung kann einen Bundesanwalt faktisch lahm legen – wer glaubt ihm noch in dieser Zeit? Aber eben, das sind erst erste Einschätzungen.

Michael Lauber hält an seinem Amt fest. Wie gut stehen denn die Chancen für ihn, wiedergewählt zu werden?

Nicht gut. Das Vertrauen in ihn hat ja schon vor den heutigen Ereignissen gebröckelt. Es bleibt abzuwarten, inwiefern er vor der Kommission überzeugen konnte. Die ersten Reaktionen sind ungläubig und konsterniert.

Drittes Treffen vergessen

Im Fokus stehen informelle Treffen mit Fifa-Präsident Infantino. Solche Treffen sind zulässig, doch hätten sie protokolliert und in den Akten dokumentiert werden müssen. Gegenüber der Aufsichtsbehörde hatte Lauber zudem nur zwei Treffen im Jahr 2016 angegeben.

Später räumte er ein, dass es 2017 wohl ein drittes Treffen gegeben habe. Lauber stritt aber ab, dieses bewusst verschwiegen zu haben. Er machte geltend, sich nicht daran erinnern zu können. Aufgrund von Agendaeinträgen und SMS gehe er davon aus, dass das dritte Treffen stattgefunden habe, sagte Lauber Ende April in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. «Ich erinnere mich aber nicht an das Treffen.»

Wiederwahl gefährdet

Der Bundesanwalt sagte damals auch, er werde im Sommer für eine weitere Amtszeit kandidieren und seine Kandidatur auch dann nicht zurückziehen, wenn ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet werde.

Die Wiederwahl für die dritte Amtszeit steht in der Sommersession an. Nächste Woche entscheidet die Gerichtskommission des Parlaments, ob sie den Bundesanwalt zur Wiederwahl empfiehlt. Die offenen Fragen um die Treffen mit Infantino dürften Lauber zumindest Stimmen kosten.

Weitere Personen dabei

Im Raum steht auch der Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung. Dabei geht es um den Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold, der Infantino als persönlicher Bekannter bei einem oder mehreren Treffen begleitet hat. Arnold hatte nach Darstellung Laubers den Wunsch der Fifa-Führung nach einem Austausch mit der Bundesanwaltschaft übermittelt.

Arnold ist jedoch ein unbeteiligter Dritter. Sind Verfahrensinhalte besprochen worden, könnte das eine Verletzung des Amtsgeheimnisses darstellen.

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