Sanft rollen in Lausanne-Vidy die Wellen an den Sandstrand. Im Schatten der Pinienbäume liegen Badende, Kinder spielen. Wenige Meter davon entfernt, beim «Théâtre de Vidy», sitzen Erwachsene in Gruppen auf Plastikstühlen beisammen: Geflüchtete, Menschen, die eine Arbeit suchen, aber auch solche, die ihrer Ehefrau oder ihrem Ehemann in die Schweiz gefolgt sind. Sie alle können noch fast kein Französisch und wollen die Sprache diesen Sommer nun lernen.
Lehrerin Sandra Krempl begrüsst jede Schülerin und jeden Schüler mit einem freundlichen «Bonjour!» und einer kleinen persönlichen Alltagsfrage. Fragen wie: «Wie geht es dir heute?» Oder: «Wann bist du aufgestanden?»
Ziel: zurechtfinden im Alltag
Es ist die dritte Woche des Gratiskurses «Französisch lernen am Seeufer». Sandra Krempl sagt, es sei zwar ein Kurs für Anfänger, aber man gehe sehr rasch vorwärts. Man habe bereits gelernt, sich vorzustellen, und sich einen Grundwortschatz erarbeitet. Es gehe darum, einen Überblick über alles Grundsätzliche zu schaffen, damit man sich bei Behördengängen, im öffentlichen Verkehr, beim Einkaufen oder bei Arztbesuchen zurechtfinde.
Nebenan unterrichtet Marta Montmany. Sie repetiert mit ihrer Gruppe die Namen der Körperteile. Später bittet Montmany ihre Schülerinnen, die Körperteile zu bewegen. Das alles hat einen pädagogischen Hintergrund.
Der Unterricht unter freiem Himmel erleichtert solche Übungen natürlich. Aber er komme auch jenen Schülerinnen und Schülern zugute, die noch nie eine Schule besucht hätten, Angst davor hätten oder die Schule als traumatisierend empfunden hätten, sagt Sandra Krempl.
Bei den Schülerinnen kommt der Unterricht gut an. Sie lerne viel, aber sie könne hier auch neue Leute treffen. Und ihre Lehrerin sei sensationell, lobt eine Frau aus Mexiko. Für eine Frau aus Ecuador ist klar: Wenn man sich in der Schweiz integrieren wolle, müsse man Französisch reden.
400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit 78 Nationalitäten besuchten den Kurs im letzten Jahr. 80 Prozent von ihnen gaben am Ende in einer Umfrage an, mit dem Französischlernen gleich weitermachen zu wollen. Dieses Jahr waren an jedem Abend über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer anwesend.
Die Idee macht Schule
Aude Iseli vom Büro für Integration der Stadt Lausanne ist mit diesen Zahlen zufrieden. Die Idee habe man 2010 von der Deutschschweiz übernommen. Sprachkurse unter freiem Himmel gab es unter anderem in Basel. Nun macht die Idee in der Romandie Schule: Heute bieten auch die Städte Genf, Neuenburg und Yverdon-les-Bains Sommerkurse an. Und wie das Leben so spielt, geht es in Lausanne nicht immer nur ums Französischlernen.
Es gebe immer wieder Leute, die sich ineinander verliebten und Sommerkurse als Paare beendeten. Die Ambiance mit Sandstrand und Pinien ist dafür ideal. Und nach den Kursen bleibt erst noch genügend Zeit, um romantische Sonnenuntergänge am Genfersee zu geniessen.