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Internet-Gesetz in Deutschland Bund will keinen Löschbefehl für Hasskommentare

Kritiker schiessen scharf gegen das deutsche «Netzwerkdurchsetzungsgesetz». In der Schweiz ist das noch kein Thema.

  • Deutschland geht seit Anfang Jahr schärfer gegen Hasskommentare auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder unter einem Youtube-Video vor.
  • Das «Netzwerkdurchsetzungsgesetz» verpflichtet Webseiten-Betreiber, rechtswidrige Kommentare innert 24 Stunden zu löschen.
  • Auch in der Schweiz läuft seit einiger Zeit eine heftige Debatte über Hasskommentare im Netz.
  • Bei einem Podium an der Universität Zürich hat sich aber gezeigt: Eine Gesetzesverschärfung wie in Deutschland ist bei uns nicht zu erwarten.

Verfassungswidrig. Vermurkst. Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Die Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutschland ist laut und heftig. Christian Meyer-Seitz vom deutschen Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, einer der Autoren des Gesetzes, betonte bei seinem Besuch in Zürich trotzdem: «Dieses Gesetz ist wegen der starken und dominanten Rolle der sozialen Netzwerke für die Meinungsbildung und Debattenkultur absolut notwendig.»

Das gelte für Deutschland, aber auch für ganz Europa, ist Meyer-Seitz überzeugt: «Wir finden positiv, dass die sozialen Netzwerke in der ganzen EU mehr Inhalte löschen.»

Selbstzensur aus Angst vor Bussen?

Genau das sei aber das Problem, entgegnete Arnd Haller, Leiter der Google-Rechtsabteilung in Nord- und Zentraleuropa: Weil Youtube, Twitter und Co. mit empfindlichen Bussen rechnen müssten, würden sie zu schnell zu viele Kommentare einfach löschen. Das Problem sei, dass auch Inhalte entfernt würden, die rechtmässig seien, sagt Haller: «Unternehmen wollen dieser Haftung entgehen und entfernen Beiträge möglicherweise zu schnell.»

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bringt Probleme, vor allem bezüglich der Grundrechte.
Autor: Martin Dumermuth Direktor Bundesamt für Justiz

Das habe man in Deutschland seit Inkrafttreten des Gesetzes bereits sehen können: «Insbesondere Satirebeiträge oder politische Meinungsäusserungen wurden recht flott entfernt, obwohl sie unproblematisch waren.»

Bund hält bestehendes Recht für ausreichend

Solche Situationen soll es in der Schweiz nicht geben. Martin Dumermuth, Direktor des Bundesamt für Justiz, ist klar die Meinung: «Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bringt Probleme, vor allem bezüglich der Grundrechte. Es war wohl ein Schnellschuss.» Dumermuth glaubt deshalb nicht, dass es in der Schweiz in absehbarer Zeit eine ähnliche Gesetzesverschärfung geben wird.

Das Schweizer Strafrecht biete genug Grundlagen, um gegen Hasskommentare im Netz vorzugehen – das hätten verschiedene Gerichtsfälle der letzten Jahre gezeigt: «Wer Hate-Speech platziert und bestehende strafrechtliche Normen verletzt, macht sich strafbar. Das Problem ist, wenn Leute dies anonym machen. Wir versuchen also, auf der Ebene der Rechtsdurchsetzung, bessere Lösungen hinzukriegen.»

Ein weiteres Problem: Die Nutzerdaten der grossen sozialen Netzwerke lagern normalerweise im Ausland - und an diese heranzukommen, ist fast unmöglich. Gemäss Dumermuth laufen derzeit Gespräche auf europäischer Ebene, um diesen Daten-Austausch zu vereinfachen. So sollen sich in der Schweiz die Urheber von Hasskommentaren nicht in die Anonymität des Netzes flüchten können.

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