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Invasive Spezies Japankäfer: in der Deutschschweiz bekämpft, im Tessin akzeptiert

Während man in Zürich die Ausbreitung noch stoppen will, hat man im Tessin längst begonnen, mit dem Schädling zu leben.

Im Kanton Zürich wird der Japankäfer seit Wochen intensiv bekämpft. Bäume und Sträucher werden mit Insektiziden besprüht, Käfer abgelesen und tiefgefroren. Ab nächstem Frühling sollen auch Spürhunde zum Einsatz kommen, um die Larven der invasiven und sehr gefrässigen Käfer zu dezimieren.

Ganz anders ist die Lage im Tessin – wo sich zum Teil auf engstem Raum schon Millionen von Japankäferlarven tummeln. Dort finden die Käfer kaum mehr Beachtung. Man lernt, mit ihnen zu leben.

Ein Schweizer Flickenteppich an Lösungen

Monique Wittwer aus Luzern entdeckte die schmucken Käfer beim Ferienhaus ihrer Eltern am Lago Maggiore. Sie meldete den Fund umgehend den Behörden. Deren Reaktion überraschte sie. «Ich hätte erwartet, dass sie einen Trupp losschicken und die Bevölkerung informieren.» Stattdessen sagte man ihr, es gebe schon so viele dieser Käfer, dass man die Lage nur noch beobachte und vereinzelt Fallen aufstelle.

In ein, zwei Jahren wird sich der Käfer wahrscheinlich auch in Kloten ausgebreitet haben.
Autor: Tim Haye Biologe CABI Delsberg

Diese Haltung irritierte die Luzernerin. «Viele Leute nehmen Setzlinge mit aus dem Tessin in die Deutschschweiz. In der Erde steckten ja vielleicht viele Larven der Käfer.»

Biologe Tim Haye vom Forschungsinstitut CABI in Delsberg versteht die Irritation über das unterschiedliche Vorgehen. In Kloten sei man wohl so strikt, weil die Population an Japankäfern noch klein sei und sich erst auf einem kleinen Gebiet ausgebreitet habe. Noch bestehe die Chance, dass man die Japankäfer wieder dezimieren könne. «Das ist aber keine Garantie. In ein, zwei Jahren wird der Käfer sich wahrscheinlich ausgebreitet haben.»

Der Japankäfer frisst praktisch alles

Im Tessin lebt der Käfer schon seit sechs Jahren in zum Teil enorm hoher Dichte. In Lugano hätten die Verantwortlichen berechnet, dass in einem einzigen Park 12 Millionen Larven vorhanden seien, so Tim Haye. Damit sei das Risiko tatsächlich hoch, dass Larven in der Erde mit Topfpflanzen oder Setzlingen auch in den Norden der Schweiz transportiert würden. So seien die Tiere wohl auch nach Kloten gekommen, sagt Haye.

Ein Japankäfer auf einem Blatt; das schon zu grossen Teilen abgefressen ist
Legende: Ein Japankäfer frisst sich durch ein Blatt im US-Bundesstaat Maine (Bild: 2011) KEYSTONE/Robert F. Bukaty

Die Japankäfer sind gefährlich, weil sie hier keine natürlichen Feinde haben. Und weil sie vieles fressen, was auch wir Menschen mögen. «Sie haben eine Vorliebe für Reben. Aber sie mögen auch Äpfel, Pfirsiche, Kirschen oder Mais», so Haye.

Die Bekämpfung mit Pestiziden bringe nicht viel. «In den USA wurden die Käfer relativ schnell resistent dagegen.» Der Ansatz sei also weder umweltfreundlich noch langfristig. Darum werden andere Bekämpfungsmethoden erforscht: Mit Fadenwürmern etwa, welche die Larven im Boden abtöten – oder mit Pilzen.

Schicksal eines anderen Schädlings weckt Hoffnung

Haye arbeitet mit einer japanischen Fliege, welche den Käfer parasitiert. Sie legt Eier auf den Rücken des Käfers. Die Fliegenlarve frisst dann die Flugmuskulatur des Käfers weg, worauf dieser zu Boden fällt und von der Fliegenlarve getötet wird. Würde die Fliege aus Japan hier ausgesetzt, könnte es aber sein, dass sie auch viele andere einheimische Käferarten dezimiert. Ob das der Fall ist, wird jetzt erst erforscht.

Derzeit droht also noch grosser Schaden durch den Japankäfer. Alleine in den USA kostet dessen Bekämpfung pro Jahr 450 Millionen Dollar (395 Millionen Schweizer Franken). Es könnte aber auch sein, dass sich das Problem, wie bei der marmorierten Baumwanze aus China, von selbst löst. Diese war vor einigen Jahren ein grosses Problem. Eine ebenfalls zugewanderte Schlupfwespe hält sie unterdessen aber in Schach.

Rendez-Vous, 15.08.23, 12:30 Uhr

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