Der Botschafter empfängt die Journalisten in einem kleinen Konferenzraum, in seiner Residenz im Berner Botschaftsquartier. Erst seit acht Monaten ist lhan Saygili für die Türkei in der Schweiz, aber schon sein halbes Leben ist der 50-Jährige mit den hellen Haaren und der dunklen Brille Diplomat. Man dürfe gleich alle Fragen stellen, die man wolle, aber zuerst zeige er einen Film.
Dann flimmern Bilder vom 15. Juli 2016 über eine kleine Leinwand. Man sieht und hört Soldaten schiessen, sieht Menschen, die verletzt zu Boden gehen und wie Bomben abgeworfen werden. Und immer wieder werden Fragen eingeblendet wie: «Wie würden Sie reagieren, wenn die eigenen Leute Sie angreifen?»
Dann ist der Film vorbei und der Botschafter bereit für die Fragen. Diese drehen sich vor allem um die harsche Reaktion des Erdogan-Regimes auf diesen Putschversuch, für den die Türkei die Gülen-Bewegung verantwortlich macht.
Das verschärfte Klima in der Türkei spürt man auch in der Schweiz. Zum Beispiel haben die Asylgesuche aus der Türkei zugenommen. Der türkische Botschafter sagt, er habe keine offiziellen Zahlen, aber es könne sein, dass das Gülen-Mitglieder seien, die im Militär oder in anderen Behörden aktiv waren und jetzt geflohen seien. Prominentester Asylsuchender ist der ehemalige türkische Vize-Botschafter in der Schweiz. Ob auch er zur Gülen-Bewegung gehöre und darum um Asyl ersucht habe, könne er nicht sagen, so der Botschafter.
Botschafter erfuhr von Spitzelaffäre aus Medien
Die Gülen-Bewegung hat in der Schweiz auch Schulen unterhalten. Jene in Zürich muss schliessen. Die Eltern haben ihre Kinder aus Angst vor Repressionen aus der Schule genommen, sagten sie in den Medien. Der Botschafter beteuert: Niemand werde deswegen in der Tükei verhaftet.
Aber diese Eltern hätten zu Recht das Vertrauen in die Gülen-Bewegung verloren. Sie hätten ihr wahres Gesicht gesehen. Und was war mit den mutmasslichen Spitzelaktionen, wegen derer auch die Bundesanwaltschaft ermittelt? In Basel wird ein Polizist verdächtigt, sensible Informationen weitergegeben zu haben.
Und in Zürich sollen bei einer Veranstaltung mit einem regimekritischen Schriftsteller alle Teilnehmer fotografiert worden sein. Der Botschafter sagt, er wisse das alles nur aus den Medien. Seine Botschaft mache solches nicht.
Und wenn er das als Botschafter machen würde, dann wäre das Spionage, das wäre keine gute Sache, aber das mache seine Botschaft nicht, so Saygili.
Der Botschafter hat Wort gehalten. Alle Fragen waren erlaubt. Wie ergiebig die Antworten waren, steht auf einem anderen Blatt. Zum Abschied bekommt jeder Journalist noch einen kleinen Stein – es sei ein Stück aus der Mauer des türkischen Parlaments, das beim Putsch beschossen wurde, sagt der Botschafter.
Ein Souvenir, das die unabhängigen Journalisten wohl stets an die Sicht der Regierung Erdogans auf die Geschehnisse des 15. Juli 2016 erinnern soll.