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Luzerner Geologe: «Wenn man ein Risiko kennt, sollte man es so weit möglich umgehen»
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 08.06.2023. Bild: SRF/Markus Föhn
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Jahrhundertbauwerk mit Tücken Neuer Luzerner Bahnhof: Deshalb kommen Geologen ins Grübeln

Im Untergrund des geplanten Durchgangsbahnhofs Luzern lauern grosse Risiken. Das erschwert vor allem den Tunnelbau.

Vier unterirdische Gleise, zwei Bahntunnel und Kosten von 3.3 Milliarden Franken. Das sind die Eckwerte des geplanten Durchgangsbahnhofs in Luzern. Ein Jahrhundertbauwerk mit Tücken.

Eine davon ist die Baustelle im Vierwaldstättersee. Eine andere: der Boden im benachbarten Neustadt-Quartier, der künftig einen der beiden Tunnel «beherbergt».

Im Volksmund ist von «Pfluder» und «Pflotsch» die Rede. Etwas eleganter formuliert es der Fachmann: Geologe Beat Keller kennt Luzerns Untergrund wie seine Westentasche. Er spricht bei der Neustadt von einer «relativ anspruchsvollen» Angelegenheit.

Zusammen mit seinem Büro hat Keller für die SBB den Boden unter die Lupe genommen. «Denn wenn wir Geologen die Risiken erkennen, findet ein Ingenieur in der Regel auch eine Lösung für das Problem.»

Tunnel darf Pfähle nicht tangieren

Die Herausforderungen der Neustadt sind ihrer Entstehungsgeschichte geschuldet: Vor rund 20'000 Jahren lag das heute dicht besiedelte Quartier noch unter einer dicken Eisschicht.

Die spätglazialen See- und Deltaablagerungen führten dazu, dass die meisten Bauten auf Pfählen im Untergrund errichtet werden mussten. Für die Linienführung des Tunnels heisst dies: Keller und sein Team mussten einen Korridor finden, der die Pfähle nicht tangiert.

Geologe Beat Keller an seinem Arbeitsplatz.
Legende: Viel Grundwasser und instabiler Untergrund: Die Planung des Neustadttunnels ist für Beat Keller und sein Team eine Herausforderung. SRF/Markus Föhn

Die zweite grosse Knacknuss ist das viele Grundwasser, das sich auf drei Stockwerke verteilt. Für die Bauarbeiten bedeutet dies: Die drei «Wasserkammern» dürfen nicht versehentlich angezapft werden. Denn dann würde Druck abfallen. Häuser könnten schlimmstenfalls ein Stück weit absacken.

Wenn man ein Risiko kennt, sollte man es so weit möglich umgehen.
Autor: Beat Keller Luzerner Geologe

Damit dies nicht geschieht, plante das Geologenbüro den Tunnel so tief, dass dieser im Felsen zu liegen kommt. Beat Keller sagt: «Wenn man ein Risiko kennt, sollte man es so weit möglich umgehen.»

Visualisierung des neuen Durchgangsbahnhofs in Luzern.
Legende: Blick ins erste Untergeschoss: Der neue Durchgangsbahnhof Luzern soll die Zentralschweiz besser ans Schienennetz anbinden. Visualisierung SBB

Um bösen Überraschungen vorzubeugen, kam es zu 31 Sondierbohrungen. «Wir haben insgesamt 1.3 Kilometer Bohrungen gemacht», sagt Keller. Diese Daten kombinierte das Team mit Tausenden von Bohrungen in Luzern, die bereits im Archiv dokumentiert sind.

Mithilfe des Computers liessen sich daraus 3D-Modelle erzeugen, die den Baugrund dreidimensional zeigen. Damit kann die Beschaffenheit des Untergrunds Meter für Meter begutachtet werden.

Schon vor einiger Zeit hat das Geologenbüro zudem analysiert, was auf vergangenen Baustellen rund ums Bahnhofsareal schiefgelaufen ist. «In einem Workshop haben wir mal bis um 22 Uhr abends alle Bauunfälle analysiert und ihre Ursachen ergründet. Auch das ergab ein neues Verständnis für den Baugrund», sagt Beat Keller.

Überbleibsel des Gletschers als Überraschung

Aber: Überraschungen im Boden sind auch trotz bester Vorbereitungen nicht ausgeschlossen. In den 1990er-Jahren etwa wurde der Bahnhof Luzern um den Westtrakt erweitert. Wie auch in der Neustadt besteht der Untergrund dort aus einer feinkörnigen Seeablagerung. «Dennoch stiess der Maschinist plötzlich in 32 Metern Tiefe auf Fels», sagt Keller.

Es stellte sich heraus: Dort lagerte ein riesiger Felsblock, ein sogenannter Findling. «Beim Abschmelzen der Gletscher drifteten Eisberge Richtung Luzern. Und dabei waren Findlinge ins Wasser geplumpst.» Solche Felsblöcke könnten auch beim Bau des neuen Durchgangsbahnhofs und der beiden Tunnel auftauchen.

In der nächsten Projektphase gelte es darum, das Augenmerk unter anderem auf die Baumethodik zu legen. Keller: «Da fällt noch einige Arbeit an, die wir erledigen müssen.»

Grossbaustelle im Luzerner Seebecken

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Der Tunnel soll in fünf vorgefertigten Teilen in den See hinabgesenkt werden. Visualisierung SBB

Der Bahnhof Luzern ist nach Zürich, Bern und Genf der viertgrösste der Schweiz – und läuft seit Jahren hart an der Kapazitätsgrenze. Ein unterirdischer Durchgangsbahnhof soll nun Entlastung bringen.

Ein Kernstück: der Eisenbahntunnel im Luzerner Seebecken. Diesen will die SBB nach einem neuen System aus Dänemark bauen, das in der Schweiz bislang noch nie zum Einsatz kam. Dabei wird zunächst der Seeboden im Bereich des künftigen Tunnels abgetragen und zwischengelagert.

Von einer schwimmenden Plattform aus heben Bagger dann eine Baugrube aus – in die später fünf vorgefertigte Teile der Tunnelröhre hinabgesenkt werden. Während der Innenausbau des Tunnels beginnt, wird die Baugrube wieder aufgefüllt und der zwischengelagerte Seeboden zurückgeschüttet.

Für das Jahrhundertbauwerk rechnet die SBB mit einer Bauzeit von 11 bis 13 Jahren. Beschlossene Sache ist der Durchgangsbahnhof allerdings noch nicht: Entscheiden darüber wird das Bundesparlament voraussichtlich 2027.

SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 08.06.2023, 17:30 Uhr;

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