Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Jérôme Cosandey im Seco «Die provokativen Ideen muss ich etwas zurücknehmen»

Jérôme Cosandey war einer der führenden Köpfe bei der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse. Nun ist er seit 100 Tagen Leiter der Direktion Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. Der Bergsturz in Blatten, die US-Zölle oder die EU-Verträge in der Vernehmlassung beschäftigen ihn seither.

Jérôme Cosandey

Staatssekretariat für Wirtschaft Seco

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Jérôme Cosandey ist seit Mai 2025 Leiter der Direktion Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. Zuvor amtete er als Direktor Romand von Avenir Suisse. Der studierte ETH-Ingenieur setzte sich zudem als Forschungsleiter vorwiegend mit der Altersvorsorge, Gesundheitspolitik sowie mit dem Generationenvertrag auseinander.

SRF: Jérôme Cosandey, von der Denkfabrik in die Verwaltung – ein grosser Schritt?

Jérôme Cosandey: Tatsächlich ist es eine neue Rolle. Avenir Suisse war immer mit einem freien Geist und provokativen Ideen verbunden gewesen. In der neuen Funktion muss ich die Interessen der Sozialpartner, der Kantone und des Bundes vertreten und das ist eine andere Ausgangslage. Als Mensch bin ich derselbe geblieben.

Sie sind auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Kaum im Amt mussten Sie gleich handeln.

Nach zehn Tagen war der Bergsturz in Blatten. Man denkt dabei zwar nicht zuerst an die Direktion Arbeit beim Seco. Aber schlagartig waren Betriebe zu – zugedeckt sogar, die Tourismusorte oberhalb Blatten blieben zwar unversehrt, aber die Strasse war gesperrt. Da mussten wir sofort klären: Was heisst das für die Arbeitslosenversicherung, was für die Kurzarbeit.

Eine Arbeitslosenquote von 3.3 Prozent ist kein Katastrophenszenario.

Auch die US-Zölle halten Sie auf Trab. Die Wirtschaftsprognosen wurden gerade nach unten korrigiert, die Arbeitslosigkeit nach oben – die schwierigste Aufgabe seit Corona?

Es ist zwar die grösste Herausforderung seit Corona, aber nicht die grösste Herausforderung, die wir je hatten. Bei Corona, beim Frankenschock 2011 oder 15, waren die Krisen sehr viel grösser. Bei Covid hatten über eine Million Personen mit Kurzarbeit, im Moment sind wir bei 15'000.

Die Arbeitslosigkeit klettert aber über das Niveau der Coronapandemie von 3 Prozent?

Wir haben eine Arbeitslosigkeit, die seit Mitte 2023 ansteigt, beispielsweise aufgrund von geopolitischen Spannungen. Im Juli ist die Quote auf 2.7 Prozent gestiegen, jetzt kommen die Uhren- oder die Maschinenindustrie hinzu, die von den Zöllen betroffenen Branchen. Deshalb rechnen wir mit einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 2.9 Prozent für dieses Jahr. 2026 erwarten wir eine Arbeitslosenquote von 3.3 Prozent. Das ist über dem langjährigen Durchschnitt, aber noch kein Katastrophenszenario.

Aus welchen Branchen und welchen Regionen kommen nun die meisten Gesuche für Kurzarbeit?

Vier Branchen machen 80 Prozent der Gesuche aus: Metallindustrie, Maschinenbau, Elektrobranche und Uhrenindustrie. Diese Branchen sind immer sehr stark konjunkturabhängig. Dies ist jedoch nicht über die ganze Schweiz gleichmässig verteilt. Im Schweizer Durchschnitt haben 0.2 Prozent der Beschäftigten Kurzarbeit beantragt, das ist relativ wenig. In den Kantonen Jura oder Neuenburg sind bis zu 30 Prozent in diesen Branchen beschäftigt. Im Kanton Jura sind 3.5 Prozent von Kurzarbeit betroffen und es gibt 5 Prozent Arbeitslosigkeit. Das heisst, 8-9 Prozent der Bevölkerung sind von einer Form von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Betroffenheit in diesen Kantonen ist gross.

Das Gespräch führte Karoline Arn.

Tagesgespräch, 28.8.2025, 13 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel