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Jubiläumsfeier im Parlament Schweiz feiert 100 Jahre Zollvertrag mit Liechtenstein

Die Bundesversammlung feiert im Nationalratssaal das 100-jährige Bestehen des Zollvertrags mit Liechtenstein. Bis 1923 orientierte sich Liechtenstein nach Österreich. Dann wurde die Zusammenarbeit mit der Schweiz verstärkt.

Vor 100 Jahren haben Liechtenstein und die Schweiz die wirtschaftliche Zusammenarbeit vertraglich geregelt. Seither sind die Grenzen offen. Einst war Liechtenstein eher nach Österreich orientiert – wegen der Fürstenfamilie. Die Fürstenfamilie aus Liechtenstein hatte ihren Wohnsitz immer in Wien. Erst 1938 ist sie nach Liechtenstein gezogen.

1919 kündigte Liechtenstein den Zoll- und Steuervertrag, den man 1852 mit Österreich abgeschlossen hatte. Die Hoffnung war, möglichst schnell einen Vertrag mit der Schweiz abschliessen zu können. Vier Jahre später, am 29.03.1923, unterzeichneten Liechtenstein und die Schweiz den Zollvertrag.

Zwei Gründe für den Zollvertrag

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Frau schaut Bilder an
Legende: 1973 gab es im Landesmuseum in Vaduz eine Ausstellung zum 50-jährigen Bestehen des Zollvertrags. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Milou Steiner

Das Demokratieverständnis

1914 forderte eine erste Gruppierung einen Vertrag mit der Schweiz. So sollte die Demokratie im Land gestärkt werden. Es waren vor allem Personen rund um Wilhelm Beck, der in der Schweiz studiert hatte. 1921 bekam Liechtenstein eine neue Verfassung, die das Volk stärkte. Zudem wurde die direkte Demokratie mit einem Parteiensystem eingeführt.

Die wirtschaftliche Not

Liechtenstein orientierte sich auch aus der Not heraus wirtschaftlich gegen die Schweiz. Die Neutralität Liechtensteins wurde im Ersten Weltkrieg nicht akzeptiert. Deshalb gab es Handelssperren für Liechtenstein. Dieser wirtschaftliche Druck bestärkte die Zusammenarbeit mit der Schweiz. Zudem litt die Österreichische Krone, die auch in Liechtenstein Landeswährung war, nach dem Ersten Weltkrieg unter einer Hyperinflation.

Seit 1923 gibt es zwischen Liechtenstein und der Schweiz keine Grenzkontrollen mehr. Die beiden Länder sind eng verbunden. Vom Zollvertrag profitierte am Anfang vor allem die Textilindustrie. Heute sind viele Bereiche des Lebens zwischen den beiden Ländern vertraglich geregelt.

Eine Holzbrücke über den Rhein
Legende: Zwischen der Schweiz und Liechtenstein gibt es keine Grenzhäuschen mehr. Keystone/Gian Ehrenzeller

Die Schweiz habe in der Anfangsphase wiederholt mit der Kündigung des Zollvertrags gedroht, um politischen Druck auf Liechtenstein auszuüben, sagt Politologe Christian Frommelt. Sie wollte zum Beispiel eine Lotteriegesellschaft verbieten oder die Gründung einer Spielbank in Liechtenstein verhindern.

Vertrag brachte Aufschwung

«Der Vertrag hat den Grundstein gelegt für eine wirtschaftliche Gesundung», sagt Historikerin Martina Sochin D'Elia. Auch wenn Liechtenstein in den 1930er-Jahren auch von einer Wirtschaftskrise geprägt gewesen sei. «Man war überzeugt: Ohne die Schweiz wäre es noch viel schwieriger gewesen».

Über 110 Abkommen

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Liechtenstein hat mittlerweile über 110 Abkommen mit der Schweiz. Es ist ein dichtes Vertragswerk zu praktisch allen Gebieten des täglichen Lebens. Nebst Zoll und Währung regeln die Abkommen beispielsweise auch Bereiche wie Bildung, den öffentlichen Verkehr, das Gesundheitswesen oder den Sport und die Abfallentsorgung.

Bei den Gefängnissen kooperiert Liechtenstein mit Österreich.

1924 führte Liechtenstein den Schweizer Franken als Währung ein, erst seit 1981 gibt es einen Währungsvertrag. Die hundertjährige Geschichte der Zusammenarbeit zeige, dass mögliche Konflikte immer sehr pragmatisch und lösungsorientiert aus der Welt geschafft wurden, sagt die Liechtensteiner Historikerin Martina Sochin D'Elia.

Mögliche Konflikte wurden immer sehr pragmatisch und lösungsorientiert aus der Welt geschafft.
Autor: Martina Sochin D'Elia Historikerin

Der Zollvertrag war für Liechtenstein auch das Tor zur Welt. Die Freihandelsabkommen, welche die Schweiz mit anderen Staaten abgeschlossen hatte, galten dank der Zollunion auch für Liechtenstein.

Abgrenzung im EWR

Beim Europäischen Wirtschaftsabkommen EWR hat Liechtenstein entschieden anders reagiert als die Nachbarin Schweiz. Bis heute bekommen es die Liechtensteiner irgendwie unter einen Hut, auf der einen Seite in der Zollunion und Währungsunion mit der Schweiz zu sein und gleichzeitig sehr viele Gesetze über den EWR von der EU zu übernehmen. «Parallele Verkehrsfähigkeit wird das genannt», sagt Martina Sochin D'Elia. Auch hier habe die Schweiz Hand geboten, dass Liechtenstein flexible, pragmatische Lösungen finden konnte.

«Aus dem Rucksack der Schweiz aussteigen»

In der sogenannten «Rucksackrede» forderte Erbprinz Hans Adam in den 70er-Jahren, dass Liechtenstein eigenständiger werden müsse.

«In einem gewissen Grad haben wir einen Trade off», sagt Politologe Christian Frommelt. «Wir delegieren und outsourcen weiterhin viel an die Schweiz und verzichten damit auf unsere Autonomie.» Hier gebe Liechtenstein die Verwaltungseffizienz ab. Das betrifft beispielsweise die Berufsschulen oder die Spitäler. Und trotzdem: Die Akzeptanz und Wertschätzung des Zollvertrages mit der Schweiz sei in der Bevölkerung Liechtensteins extrem hoch, sagt Frommelt.

Redaktioneller Hinweis

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Der Artikel wurde am 29. März 2023 zum ersten Mal veröffentlicht.

Regionaljournal Ostschweiz, 29.03.2023, 06:31 Uhr ; 

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