Zum Inhalt springen

Jugendschutz Nationalrat will verbindliches Mindestalter für Filme und Games

Minderjährige sollen vor Sex- und Gewaltdarstellungen in Filmen und Videospielen besser geschützt werden. So will es der Nationalrat.

Brutale Computerspiele, Pornofilme, Gewaltvideos: Vieles, was im Internet, im Fernsehen oder auf DVD erhältlich ist, eignet sich nicht für Kinder und Jugendliche. Doch bis heute gibt es in der Schweiz keine landesweit gültige Regelung zum Jugendschutz bei Filmen und Games. Das soll sich nun ändern: Am Mittwoch hat der Nationalrat mit 115 zu 69 Stimmen bei zwei Enthaltungen beschlossen, auf das Gesetz einzutreten.

Für Videos und Games soll künftig schweizweit ein einheitliches Mindestalter gelten, konkret soll es mindestens fünf Altersstufen geben. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission ist mit diesem neuen Gesetz einverstanden. Für sie sagt Nationalrat Matthias Aebischer (SP/BE): «Ziel des Gesetzes ist es, Minderjährige vor Medieninhalten in Filmen und Videospielen zu schützen, welche ihre Entwicklung gefährden könnten. Es geht um Darstellungen von Gewalt, Sexualität und bedrohlichen Szenen.»

Orientierung an EU-Richtlinie

Vorgesehen ist ein System, das die Branche eng miteinbezieht. Das bedeutet, Kinos, Streaming-Anbieterinnen oder Detailhändler müssen festlegen, ab welchem Alter ihr Game oder Video geeignet ist. Und sie müssen das Ganze auch selber kontrollieren – also dafür sorgen, dass Minderjährige wirklich nur Games erhalten, die für sie geeignet sind.

Einschätzung: «Die Branche hat Interesse an griffigen Regeln»

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Keystone

Einschätzung von SRF-Digitalredaktor Guido Berger: «Dass die Branche entscheidet, welches Spiel für welches Alter freigegeben wird, ist erst mal nicht neu. Das macht die Branche heute schon. Sie macht es einfach freiwillig. Neu sagt der Bund, dass sie das tun muss, und gibt auch noch ein paar grundsätzliche Anforderungen vor. Dass die Branche das Ganze selbst macht, ist das einfachste System. Denn man erspart sich so, dass eine staatliche Expertenkommission selbst jeden Film anschaut und jedes Game spielt. Der Bund kann hier mit wenig Aufwand einen wohl ähnlichen Effekt erzielen.

Die Branche hat Interesse an griffigen Regeln. PR-Technisch beispielsweise will weder die Game- noch die Filmbranche als diejenige dastehen, welche unsere Jugend verderben. Die Branche will hier mitmachen und sie hat sich in der Vergangenheit nie gegen ein solches System gewehrt.

Die grosse Schwierigkeit ist die Einhaltung. Wer stellt sicher, ob der kleine Livio tatsächlich bereits 12 ist, wenn er Fortnite spielen will? Das Gesetz sieht aber auch Ausnahmen vor, beispielsweise dass wenn Livio erst 10 ist und trotzdem an einem Fortnite-Turnier teilnehmen möchte, darf er das durchaus, wenn er eine elterliche Erlaubnis hat. Ausserdem scheint die Dringlichkeit, das Problem zu lösen, nicht allzu hoch gewesen zu sein, denn der Bundesrat hatte den Auftrag, ein solches Gesetz auszuarbeiten, bereits vor etwa zehn Jahren erhalten.»

Kinos oder Detailhändler mit Sitz in der Schweiz sind das Eine. Das Andere, das Grössere, sind die Anbieter im Internet: Streaming- oder auch Plattform-Dienste. Sie sind von der Schweiz aus weit schwerer zu kontrollieren als das Kino Rex im Stadtzentrum oder der Elektronik-Fachmarkt im Shopping-Center.

Daher sieht das Gesetz vor, dass sich die Schweiz im Jugendschutzbereich an der entsprechenden EU-Richtlinie orientiert – sodass Anbieter mit Sitz in einem EU-Land nicht in die Schweiz ausweichen, um von hier aus die strengeren Regeln in der EU zu umgehen.

Es liegt in der Verantwortung der Eltern, zu entscheiden, was altersgerecht ist für ihr Kind.
Autor: Verena Herzog Nationalrätin (SVP/TG)

An diesem Punkt haken Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzes ein, darunter FDP, SVP und die Telekommunikationsbranche. Gegenüber internationalen Giganten wie Youtube seien Schweizer Bestimmungen kaum durchzusetzen, argumentieren sie.

Ohnehin stünden zuerst die Eltern in der Pflicht, so Nationalrätin Verena Herzog (SVP/TG): «Es liegt in der Verantwortung der Eltern, sich mit dem Inhalt von Filmen und Videospielen auseinanderzusetzen, und zu entscheiden, was altersgerecht und sinnvoll ist für ihr Kind. Sie kennen ihr Kind am besten.»

Entscheide stehen noch aus

Am anderen Ende des Spektrums finden sich die Mitte-Partei bis zur Linken oder auch Jugendverbände: Sie fordern eher noch schärfere Regeln.

Dem Gesetz ein paar zusätzliche Zähne einfügen, will auch die Mehrheit der vorberatenden Kommission. Sie will etwa den Verkauf von Zusatzleistungen bei Games regeln, sogenannte In-Game-Käufe: Also wenn Spieler bei einem Game etwa Münzen kaufen oder zusätzliche Spielfiguren. Da soll Eltern die Kontrolle über den Kauf solcher Zusatzleistungen erleichtert werden.

Die Detailberatung über das Geschäft konnte der Nationalrat am Mittwochabend aus Zeitgründen nicht mehr führen. Sie soll in einer der nächsten Sessionen erfolgen.

Echo der Zeit, 17.03.2021, 18:00 Uhr

Meistgelesene Artikel