In den letzten 25 Jahren sei die Schweizer Wohnbevölkerung um mehr als zwei Millionen Menschen gewachsen, rechnet SVP-Nationalrat Pascal Schmid vor. «Seit dem Jahr 2000 wuchs die Bevölkerung der Schweiz. Das muss man sich mal vorstellen, 16-mal mehr als die von Deutschland. Was zu viel ist, das ist einfach zu viel.»
Die SVP möchte die Bevölkerung deshalb auf maximal zehn Millionen Menschen begrenzen. Schon ab 9.5 Millionen müssten Massnahmen ergriffen werden, fordert die sogenannte «Nachhaltigkeitsinitiative». Vor allem im Asylbereich und beim Familiennachzug müsste angesetzt werden. Würde die Hürde von zehn Millionen Menschen überschritten, müsste der Bundesrat zwei Jahre danach das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen. Nimmt man die vom Bundesamt für Statistik erwartete mittlere Zunahme der Bevölkerung in den nächsten Jahren zum Massstab, dürfte dies frühestens in 18 Jahren der Fall sein.
Für Teile der Mitte Fraktion trifft die SVP-Initiative mit ihrer Forderung nach einer Begrenzung der Zuwanderung einen wunden Punkt, wie Gerhard Pfister festhält. «Aus unserer Sicht adressiert die Initiative eine Sorge, die nicht nur in rechten Kreisen zu finden ist, sondern bis in die politische Mitte reicht.»
Die Forderung in der Initiative nach einer Kündigung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit mit der EU gehe aber zu weit. Eine Minderheit aus der Mitte rund um Gerhard Pfister hat deshalb einen Gegenvorschlag ohne die Kündigungsforderung ausgearbeitet.
Mehrheit will weder Initiative noch Gegenvorschlag unterstützen
Die Mehrheit des Nationalrats dürfte aber sowohl Initiative als auch Gegenvorschlag deutlich ablehnen, wie die Voten der anderen Fraktionen nahelegen. Ohne Menschen aus dem Ausland würde die Schweiz im Nu zusammenbrechen, sagt zum Beispiel SP Co Präsidentin Mattea Meyer. «Wer diese Initiative unterstützt, will ein gefährliches Hochrisikoexperiment in unsicheren Zeiten.»
Die Initiative könnte auch dazu führen, dass Schutzsuchende keinerlei Hilfe mehr erhielten, fügt Greta Gysin von den Grünen an. «Diese Initiative ist nicht nur isolationistisch, sie ist auch fremdenfeindlich.»
Der Präsident der Grünliberalen, Jürg Grossen, findet: «Die SVP stellt eine durchaus berechtigte Frage. Sie gibt aber mit dieser Initiative eine komplett falsche Antwort.» Die Zuwanderung bringe Herausforderungen, sagt Grossen. Aber die Initiative stürze die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft ins Chaos und in die Abschottung.
Auch die FDP stellt sich gegen das Volksbegehren der SVP. Es sei in Tat und Wahrheit eine Kündigungsinitiative, argumentiert Peter Schillinger und würde somit die bilateralen Verträge mit der EU gefährden. «Die automatische Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens würde zum Guillotine-Effekt auslösen, wodurch weitere Abkommen wie Schengen, Dublin und Handelsverträge hinfällig würden.»
Keine Entscheide – Fortsetzung am Donnerstag
Das Thema Zuwanderung bewegt – deutlich mehr als die Hälfte der Mitglieder des Nationalrats hat angekündigt, sich zur SVP-Initiative äussern zu wollen. Die grosse Kammer wird sich deshalb auch noch am Donnerstag während mehrerer Stunden mit dem Volksbegehren beschäftigen. Auch Justizminister Beat Jans wird sich dann im Namen des Bundesrates äussern, der die Initiative ebenfalls ohne Gegenvorschlag ablehnt.