Sie würden ausgebremst, zurechtgewiesen oder eingeschüchtert, schreiben die betroffenen Journalistinnen im offenen Brief. Im Unternehmen herrsche eine sexistische Arbeitskultur. Sprüche wie «Du bist hübsch, Du bringst es sicher noch zu etwas» oder «Ein Thema mit Kindern – da sollen sich die Frauen drum kümmern» müssten sie sich immer wieder anhören.
Die 78 unterzeichnenden Journalistinnen fordern nun mehr Anstand, standardisierte Verfahren bei Mobbing oder sexueller Belästigung und eine bessere Förderung von Frauen.
Machokultur in der Medienbranche
In der Branche sind die Tamedia-Redaktorinnen damit nicht alleine. Das bestätigt Nadja Rohner, Co-Präsidentin des Vereins Medienfrauen Schweiz: «Es ist nicht nur ein Tamedia-Problem. Das passiert auch in anderen Medienhäusern. Oftmals herrscht eine Machokultur vor.»
Beim Westschweizer Fernsehen RTS beispielsweise wurden letzten Herbst mutmassliche Fälle von Mobbing und sexueller Belästigung publik. Entsprechende Untersuchungen wurden eingeleitet.
In den Medienhäusern spiegelt sich, was auch sonst passiert: Frauen schaffen es kaum in wichtige Positionen.
Für talentierte Journalistinnen ist es in Schweizer Medienhäusern oftmals schwierig, Karriere zu machen. Andrea Bleicher beispielsweise schaffte es bis zur Ad-interims-Chefredaktorin beim Boulevard-Blatt Blick. Schliesslich wurde sie aber übergangen bei der definitiven Besetzung des Postens mit der Begründung, dass sie noch zu jung und zu wenig erfahren in Polit- und Wirtschaftsthemen sei. Zwei Männer erhielten den Job.
Für Bleicher sind die Zustände frustrierend: «In den Medienhäusern spiegelt sich, was auch sonst passiert: Frauen schaffen es kaum in wichtige Positionen. Für eine Branche, die gern anderen sagt, was sie alles falsch machen und generell glaubt, aus fortschrittlichen, klugen und weltoffenen Denkern zu bestehen, umso trauriger.»
Tamedia und SRG wollen reagieren
Im Falle des Tamedia-Konzerns gelobt sich die Chefetage Besserung. Chefredaktor Arthur Rutishauser: «Wir sind uns bewusst, dass die bisherigen Massnahmen zur Steigerung des Frauenanteils in den Redaktionen und insbesondere in den Führungspositionen nicht ausreichen und es Zeit für eine verbindliche Strategie ist.»
Auch andere Medienhäuser bemühen sich um eine bessere Förderung der Frauen. Die SRG beispielsweise strebt einen Frauenanteil von 50 Prozent an. Doch der Weg ist noch weit. In Führungspositionen beträgt der Anteil bislang nur 30 Prozent. Mit entsprechenden Förderprogrammen soll dieser Wert verbessert werden.