Wenn eine Partei eine Abstimmung hauchdünn verliert und sie dann am grünen Tisch eine zweite Chance bekommt, würde man annehmen, dass sie diese wahrnehmen will und zwar möglichst rasch. Bei der CVP und ihrer Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe liegt der Fall etwas anders. Vieles spricht dafür, dass die Partei diesen Abstimmungskampf lieber nicht noch einmal führen will.
Die Passage im Initiativtext, nach welcher die Ehe eine Verbindung zwischen Mann und Frau ist, wurde der CVP vor gut drei Jahren im Abstimmungskampf um die Ohren gehauen. Viele Stimmberechtigte – das zeigte die Abstimmungsanalyse – haben deswegen Nein gestimmt. Und längst ist auch der CVP selber nicht mehr wohl dabei. Unterdessen spricht sich die Partei mehrheitlich für die Ehe für alle aus. Bei einer zweiten Abstimmung über die Volksinitiative drohte die CVP sehr viele ihrer eigenen Leute zu vergraulen.
Darum kommt der Weg über das Parlament auch der CVP gelegen. Das Ringen dort um das richtige Modell zur Beseitigung der Heiratsstrafe dürfte aber einmal mehr zäh werden. Die Vorstellungen gehen hier seit Jahren auseinander, sonst hätte man sich längst gefunden. Denn seit das Bundesgericht die sogenannte Heiratsstrafe zum ersten Mal als verfassungswidrig gerügt hat, sind mehr als 30 Jahre vergangen. Ob es darum eine Einigung auf einen Gegenvorschlag zur Initiative geben wird, die der CVP den Rückzug ermöglicht und allen eine zweite Abstimmung erspart, ist offen.
Annulierung mit Folgen
Die unrühmliche Premiere, dass das Bundesgericht wegen fehlerhafter Abstimmungsinformationen einen eidgenössischen Urnengang annullieren musste, hat aber Auswirkungen über das Thema Heiratsstrafe hinaus. Der Bundesrat will dafür sorgen, dass die Verwaltung künftig bei ihren Informationen an Parlament und Volk genauer arbeitet: Zahlen überprüft, ihre Quellen offenlegt, sie nicht aus dem Zusammenhang reisst und auf Unschärfen hinweist. Im Zweifelsfall, so die Devise, lieber auf eine Statistik verzichten, deklarieren, dass es keine genauen Informationen gibt, als etwas Falsches verbreiten. Das ist für die Glaubwürdigkeit des Bundesrats bestimmt gut. Verkürzte Argumente und zugespitzte Botschaften gibt es in den Abstimmungskämpfen auch so genug.