Wegen der Corona-Pandemie gelten zurzeit in der Schweiz besondere Richtlinien: Wenn keine Intensivpflege-Betten mehr vorhanden sein sollten, dann sollen Personen über 85 Jahre nicht mehr intensiv-medizinisch betreut werden.
Das Alter als Kriterium dafür, wer eine Behandlung erhält? Pro Senectute beobachtet diese Entwicklung mit Sorge, wie Mediensprecher Peter Burri darlegt.
SRF News: Wie steht die Pro Senectute zu den neuen Richtlinien in Zeiten der Corona-Pandemie?
Peter Burri: Recht und Würde werden bei dieser Frage stark herausgefordert. Wir bewegen uns in einem Grenzbereich, den die Schweiz so noch nie gesehen hat. Seit 2013 gilt das überarbeitete Kinder- und Erwachsenen-Schutzgesetz, das die Selbstbestimmung jedes mündigen Bürgers vorsieht. Dieses wird mit den Richtlinien arg strapaziert.
Sehr viele Seniorinnen und Senioren wollen selbstbestimmt leben.
Welche Rückmeldungen haben Sie von Pro-Senectute-Mitgliedern erhalten?
Manche sagen, sie hätten ein gutes Leben gelebt und könnten sich auch vorstellen, diese Welt bald einmal zu verlassen – sei das nun wegen des Coronavirus oder wegen einer anderen Krankheit. Sehr viele Seniorinnen und Senioren sagen aber, dass sie selbstbestimmt leben wollen. Sie wollen in jeder Lage die bestmögliche medizinische Versorgung geniessen können. So denkt sicher die Mehrheit der älteren Bevölkerung.
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Noch gibt es in der Schweiz genügend Betten auf Intensivstationen. Falls das ändern sollte: Wie müsste man Ihrer Ansicht nach mit der Ressourcenknappheit umgehen?
Wir hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt. Deshalb fordern wir alle dringend dazu auf, die vom Bund verordneten Massnahmen akribisch einzuhalten. Doch falls es zum Äussersten kommen sollte, müsste man schauen, wie das Recht auf Selbstbestimmung auch für jene Menschen, die älter als 85 sind und das wollen, eingehalten werden kann. Wir beobachten die Lage sehr genau.
Die Diskussion muss jetzt geführt werden – nicht erst, wenn es zu spät ist.
Überlegen Sie sich bei der Pro Senectute schon konkrete Schritte?
Wir sind im Austausch mit den Behörden. Wichtig ist, dass die Diskussion jetzt geführt wird und nicht erst, wenn es zu spät ist. Jede Person, die von dieser Situation betroffen sein könnte, sollte sich schon jetzt überlegen, wie sie sich verhalten will. Wir als Organisation Pro Senectute suchen den Dialog mit Behörden und Öffentlichkeit und versuchen, wenn immer möglich für die Problematik zu sensibilisieren.
Die Pro Senectute wartet vorderhand also erst einmal ab?
Ja. Derzeit herrscht eine ausserordentliche Lage, die sich fast stündlich verändert – oder zumindest täglich. Im Moment geht es darum, dass die Massnahmen des Bundesrats akribisch eingehalten werden und dass wir gar nicht erst in einen Notstand auf den Intensivstationen geraten. Daneben muss man sich auf die möglicherweise anstehende Diskussion um rare Intensivbetten vorbereiten. Das geht alle an – egal ob jung oder alt.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.