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Kinderarmut in der Schweiz 50 Millionen Franken für Bücher, Klavierunterricht und Sportkurs

Kinder und Jugendliche, die von Sozialhilfe abhängig sind, sollen ein Instrument lernen oder im Sportclub sein dürfen. Die kantonalen Sozialdirektoren wollen mehr Geld in die Förderung stecken, um Armut im Erwachsenenalter zu verhindern.

Mehr tun für Kinder und Jugendliche: Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) hat die zweite Etappe der SKOS-Richtlinienrevision gutgeheissen. Demnach soll unter anderem die Förderung von Kindern und Jugendlichen explizit zu den Zielen der Sozialhilfe gehören. Die Behörde will das Kindeswohl stärken und armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen eine grössere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Kinder lernen Flöte spielen.
Legende: Musikunterricht bedeutet für Kinder mehr Teilhaben am sozialen Leben. KEYSTONE/Gaetan Bally

Dafür gibt es mehr Geld: Familien, die Sozialhilfe beziehen, erhalten von den Kantonen mehr Geld. Vorgesehen ist, dass bei Familien für jedes Kind ein Zuschlag von 50 Franken gesprochen wird. Maximal beträgt der Zuschlag pro Familie 200 Franken. Dieser Zuschlag soll zum Beispiel für den Kauf von Büchern dienen. Weiter sollen «situationsbedingte Leistungen» konkretisiert werden. Sozialdienste können solche sprechen, um Kindern und Jugendlichen spezifische Bedürfnisse zu erfüllen. Das kann für Musikunterricht, für den Sportclub oder für Ausrüstung sein. Markus Kaufmann, Geschäftsführer der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS sagt: «Sportclubs sind eigentlich die grösste Integrationsmaschine in der Schweiz.» Es sei wichtig, dass Kinder bei ausserschulischen Aktivitäten nicht aussen vor seien. Gemäss Schätzungen der SODK werden diese zwei Fördermassnahmen schweizweit Kosten von rund 50 Millionen Franken verursachen.

Kinder und Jugendliche sind in der Sozialhilfe übervertreten

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Zwei Kinder malen Kreidezeichnungen auf dem Bürgersteig.
Legende: AP Photo/Michael Probst

Die Sozialhilfequote (Anteil der Sozialhilfebeziehenden an der ständigen Wohnbevölkerung) betrug 2019 3.2 Prozent. Im Jahr 2023 waren es noch 2.8 Prozent; das war gemäss Bundesamt für Statistik der tiefste gemessene Wert seit 2005.

2023 haben insgesamt fast 250'000 Menschen mindestens einmal eine Leistung der Sozialhilfe erhalten. Davon sind knapp ein Drittel oder rund 73'000 Personen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Sie sind im Gegensatz zu allen anderen Altersgruppen in der Sozialhilfe übervertreten.

Das ist das Ziel: Kinder und Jugendliche, die von Armut betroffen sind, sollen mit den Zuschlägen gefördert werden. Laut den kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren ist es ein Beitrag dazu, dass die Kinder später wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen und sich aus der Armut befreien können. Die Konferenz empfiehlt den Kantonen, die Änderungen ab 2027 umzusetzen.

Das Lob: Grundsätzlich positiv gestimmt ist beispielsweise der Schweizerische Gemeindeverband SGV. Er betont in einer Stellungnahme, dass Minderjährige in der Schweiz das grösste Sozialhilferisiko aufweisen würden. Kinder, die in der Sozialhilfe aufwachsen, seien in ihrer sozialen Integration und beim Zugang von Bildung oft benachteiligt. Das erschwert die Chancen auf eine gute Ausbildung, die helfen könnte, aus der Armut herauszukommen. «In Zukunft brauchen wir jede und jeden auf dem Arbeitsmarkt und darum ist die Unterstützung besonders wichtig», sagt Markus Kaufmann von der Konferenz für Sozialhilfe. Auch der Gemeindeverband begrüsst, dass in der Revision ein stärkerer Fokus auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen gelegt wird.

Die Kritik: Kritisch reagiert die FDP Schweiz: Der Staat zahle neu den Boxverein und den Klavierunterricht. Doch gehöre das zum sozialen Auffangnetz, fragt die Partei. Sie kritisiert die «Sozialindustrie, die sich fleissig einen neuen ‹Klienten› sucht» und warnt vor einer Explosion der Kosten, zum Nachteil jener, die arbeiten gingen.

HeuteMorgen, 3.6.2025, 6 Uhr; srf/baum;brut

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