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Klimawandel Schutz vor Sommerhitze – Pilotprojekt für Obdachlose in Basel

Bei Hitzewellen wird es für vulnerable Menschen draussen ungesund. Ein Pilotprojekt in Basel sucht Schutzräume.

Wenn die Sommerhitze bleischwer über städtischen Strassen liegt, bleiben viele Leute daheim oder suchen Restaurants oder andere klimatisierte Orte auf. Wer jedoch weder ein Zuhause noch Geld hat, kann das nicht und ist so der Hitze stärker ausgesetzt.

Für Obdachlose könnten längere Hitzeperioden lebensbedrohlich sein, warnt der Basler Gassenarbeiter Michel Steiner; er ist Co-Leiter des Vereins Schwarzer Peter. Hitze sei das grössere Problem als Minus-Temperaturen im Winter.

BAG-Limit für Räume: 24 Grad

Hitze kann gesundheitliche Probleme von Kopfweh über Schwindel bis zum Hitzeschlag bringen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rät, bei Symptomen viel zu trinken und sich in Räume zurückzuziehen, die maximal 24 Grad warm sind. Geeignete Rückzugsräume für Obdachlose in der Basler Innenstadt suchen nun der Verein Schwarzer Peter und die Ostschweizer Fachhochschule im Rahmen eines Pilotprojektes.

leere Restaurant-Aussentische im Hochsommer
Legende: In Basel wird es im Sommer manchmal so heiss, dass Tische auf versiegelten Plätzen vor Restaurants leer bleiben. Keystone/Georgios Kefalas

Basel ist ein klimatischer Hotspot: Aufgrund der geografischen Lage gibt es am Rheinknie mehr potenziell gefährliche Hitzetage als in anderen Deutschschweizer Städten wie Bern und Zürich.

Hitze-Effekte sehen wir in Basel stärker als in anderen Städten.
Autor: Tanja Herdt Professorin für Städtebau an der Ostschweizer Fachhochschule

Tanja Herdt, Professorin für Städtebau an der Ostschweizer Fachhochschule, nennt Basel «das extremste Beispiel», das sie kenne: Es habe relativ wenig Wald nebenan, der Kühlung bringen könnte, und einen geringeren Freiflächenanteil. «Die Effekte sehen wir deshalb in Basel stärker als in anderen Städten.»

Hitzeinsel-Effekt

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Städte seien besonders mit Sommerhitze-Effekten konfrontiert, sagt Tanja Herdt. In so genannten Hitze-inseln kühle es nach Sommertragen mit Temperaturen über 30 Grad nachts nicht mehr genug ab.

Dieser Effekt addiere sich bei einer Hitzewelle über ein paar Tage. So könne es für vulnerable Personengruppen gesundheitsgefährdend werden. Dazu zählt sie neben Kranken auch Betagte, Kleinkinder und Schwangere.

Ziel des Pilotprojektes sind Erkenntnisse, die für einen Leitfaden mit Empfehlungen nutzbar sind, der dann auch in anderen Städten anwendbar ist. Auf diese Übertragbarkeit legt der Bund Wert, der einen Drittel an die Projektkosten von 55'000 Franken beisteuert.

Das Pilotprojekt will herausfinden, welche Räume und andere Massnahmen in einer heissen Stadt nötig sind für besonders betroffene Personen. Neben Obdachlosen leiden auch ältere Menschen und Personen, die draussen arbeiten, speziell unter den zunehmenden Hitzewellen. Für diese könnten die Massnahmen schrittweise erweitert werden, so Heldt.

Im Visier sind relativ kühle öffentliche Räume wie Kirchen oder Quartiertreffpunkte. Auch das grosse Foyer des Theaters Basel, das seit drei Jahren seine Tore für alle öffnet, bietet Platz am Schatten. Dort hat es ein Café, Arbeitsplätze und auch eine Kinderspielecke.

Obdachloser in Zürich schläft am Boden
Legende: Ein Obdachloser im Schatten der Zürcher Tramhaltestelle Hauptbahnhof (Archivbild) Keystone/Gaetan Bally

Die Erfahrungen des Theaters zeigen, dass ein solches Foyer auch für Obdachlose im Prinzip ein geeigneter Raum sein kann, wenn diese sich an gewisse Regeln halten – etwa keinen Alkohol mitbringen und keinen Lärm verursachen.

Theater: grundsätzlich positive Erfahrungen

Die Erfahrungen seien grundsätzlich positiv, auch wenn das Theater einzelne Hausverbote habe aussprechen müssen, erklärt Patrick Oes vom Theater Basel. Man müsse das eben begleiten: «Es braucht ein Team. Man muss immer vor Ort sein – dann ist es absolut machbar».

Das Pilotprojekt soll auch herausfinden, ob es für Obdachlose Betreuung oder allenfalls gewisse bauliche Anpassungen braucht. Ziel ist, Konflikte mit anderen Nutzenden zu vermeiden, wenn geeigneten Räume als Rückzugsorte zur Verfügung gestellt werden.

Wir wollen nicht einfach nur einen Raum, in dem wir wohnungslose Menschen einpferchen
Autor: Michel Steiner Gassenarbeiter in Basel, Co-Leiter Verein Schwarzer Peter

Für Michel Steiner ist das Foyer ein gutes Beispiel mit Platz und sozialer Durchmischung, denn Obdachlose bräuchten zwar Schutz, sollten aber nicht irgendwo separat eingepfercht werden. «Wir wollen nicht einfach nur einen Raum, in dem wir wohnungslose Menschen einpferchen, sondern es muss ein Stück weit auch Normalität sein.».

Echo der Zeit, 30.5.2024, 18 Uhr ; 

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