Ein Auto biegt auf den Parkplatz vor den ersten Häusern der Altstadt Zofingens ein. Auf dem Platz stehen einige hohe Bäume. Weit oben in den Ästen liegen die Nester von Saatkrähen. Diese brüten in Kolonien. Sie fliegen hin und her und krächzen permanent. Die Vögel sind am Arbeiten. So wie die Angestellte der Securitas, die eben ihren Wagen abgestellt hat – wohlweislich nicht direkt unter den Bäumen: «Würde ich das tun, müsste ich danach das Auto waschen», sagt sie lachend.
«Diese Krähen machen eine Sauerei!», sagt eine Passantin. Eine ältere Frau hat hingegen Verständnis für die lauten Rabenvögel: «Die müssen auch irgendwo sein. Wenn man nicht hier wohnt, stört es einen auch nicht.» Ein junger Mann mit Bart hingegen wohnt hier – und habe auch schon geflucht, gesteht er: «Ich höre sie jeden Abend und jeden Morgen. Die Krähen sind wie ein Wecker», sagt er.
Ein älterer Mann hatte in einer anderen Region beobachtet, wie man dort Saatkrähen losgeworden ist: Die Feuerwehr hat gelbe und weisse Bänder an den Bäumen aufgehängt. «Danach war das Problem beseitigt», erzählt er. Auch auf dem Chorplätzli in der Altstadt von Zofingen hatte man Probleme mit den Saatkrähen. Zwölf Nester hatten sie im Ahornbaum neben der Kirche gebaut. Ein Unding, erzählt ein Anwohner: «Das ist eine Erholungszone. Die Bänke waren alle verschissen.»
Plastik-Uhus und Gewehre
Zofingen habe sich Rat aus Bern geholt; dort, wo man seit Jahren versucht, den Saatkrähen Herr zu werden. Und so hing im grossen Ahorn neben der Kirche bald ein Uhu aus Plastik. Ein Abbild eines Feindes der Saatkrähen. Zog man an einer Schnur, bewegten sich die Flügel des Plastik-Uhus: «Jeden Morgen, wenn ich die Zeitung holen gegangen bin, habe ich an der Schnur gezogen. Die Krähen sind aber so intelligent, dass sie nach einer Weile schon weggeflogen sind, bevor ich überhaupt beim Baum war.»
Aber es habe gewirkt: Jetzt bleibe das Chloster-Plätzli von den Saatkrähen verschont. Bei der Vogelwarte Sempach kennt man das Problem. Es gebe viele Rezepte mit unterschiedlichem Erfolg, sagt Mitarbeiter Livio Rey: «Auch häufigeres Schneiden der Bäume ausserhalb der Brutzeit hilft. Aber die Krähen sind sehr intelligent.»
Elstern sind die bösen Cousins der Saatkrähen
So greift der Mensch gar zu den Waffen: Seit 2012 dürfen Saatkrähen abgeschossen werden. 2017 wurden schweizweit 200 Saatkrähen erlegt, wie die Jagdstatistik zeigt. Im Siedlungsgebiet wird nicht geschossen. Auch wenn Saatkrähen nerven können – einen Trost gibt es: Sie plündern keine anderen Nester oder fressen Jungvögel. Das machen ihre Verwandten, die Rabenkrähen und Elstern.
Trotzdem gehe es den Singvögeln deswegen nicht schlechter. Es gehe ihnen gleich wie den Rabenvögeln, sagt Rey: «Wir sehen in unseren jährlichen Zählungen, dass die Rabenvögel keinen Einfluss auf die Bestände anderer Vogelarten haben. Amsel, Kohlmeise, Rotkehlchen und viele andere Arten nehmen in der Schweiz ebenso zu wie die Rabenvögel.» Bleiben der Dreck und der Lärm. Doch das Krächzen geht schon mal unter im Lärm der menschlichen Zivilisation.