Zum Inhalt springen

Krieg in der Ukraine Putins Schweizer Kriegskasse

Die Schweiz ist ein Magnet für Oligarchen, ihre Geschäfte und ihre Gelder. Das sorgt für Kritik.

Ukrainische Fahnen wehen in Bern. Gegen 20'000 Personen demonstrieren am Samstag gegen den Krieg in der Ukraine. Immer wieder ertönen Parolen gegen das «schmutzige Geld» der Oligarchen in der Schweiz.

Auch Alena Nikolskaia demonstriert. Ihr Schild sticht im Meer aus Blau und Gelb hervor. Es ist Weiss-Blau-Rot, trägt die Farben Russlands und ein Peace-Zeichen. Alena Nikolskaia ist Russin und gegen den Krieg. «Wir fühlen grosse Scham für das, was Russland jetzt tut. Auch wenn es nicht unsere Entscheidung ist, werden wir uns das nie vergeben. Und die Menschen werden Russland nie vergeben.»

Russisches Geld auf Schweizer Konten

Nikolskaia ist überzeugt: In der Schweiz versteckten viele Oligarchen ihr Geld. Nicht alle seien von den Sanktionen betroffen. Deshalb fordert sie: «Es sollten mehr Leute auf der Sanktionsliste sein. Es gibt mehr Leute in der Regierung und Industrie, die Bestechungsgelder genommen haben. Die Putin geholfen haben, dort zu sein, wo er jetzt ist. Die Schweiz sollte das untersuchen.»

Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsaustausch zeigen: Rund 30 Prozent der Ausland-Vermögen von Personen und Firmen aus Russland liegen auf Schweizer Konten. Im Ausland lebende Russinnen und Russen fehlen aber in dieser Zahl. Es könnte also noch viel mehr Oligarchen-Geld in der Schweiz sein.

Der Schweizer Finanzplatz sei enorm wichtig für die russische Elite, meint Strafrechtler und Anti-Korruptionsexperte Mark Pieth: «Wir sind das Zugangstor zur westlichen Welt, aber vielleicht auch zur gesamten Weltwirtschaft.» Die Schweiz sei der grösste Standort der Welt für Offshore-Geschäfte. Diese erleichtern auch die Korruption: «Es läuft aber nicht nur russische Korruption, sondern es läuft überhaupt die Korruption von der Welt über solche Finanzplätze und die Schweiz ist derart gross in dem Bereich der privaten Vermögen, dass wir damit rechnen müssen, dass ganz erhebliche Summen zusammenkommen.»

Russisches Öl in der Schweiz

Die Schweiz ist nicht nur für russisches Geld attraktiv, sondern auch für russisches Öl. Rund 80 Prozent der russischen Öl-Exporte werden in der Schweiz gehandelt. 2019 entspricht dies schätzungsweise 90 Milliarden Dollar.

Der russische Rohstoffhandel sei eine wichtige Finanzierungsquelle für den russischen Staat und damit auch für den Krieg in der Ukraine, sagt Agathe Duparc. Sie schaut als Rechercheurin bei der NGO Public Eye genau hin bei den russischen Rohstoff-Geschäften. Auch hier seien Oligarchen wichtig für den Krieg: «Viele sind im Rohstoffhandel tätig. Und das ist die Kriegskasse von Putin. In diesem Bereich läuft sehr viel über die Schweiz.» 

Oligarchen bei Putin

Duparc verweist auf ein Treffen von Putin und seinen Wirtschaftsführern am 24. Februar, dem Tag des russischen Angriffes. Der russische Präsident erklärte der Wirtschafts-Elite vor laufenden Kameras, die Invasion in der Ukraine sei ein notwendiges Mittel gewesen, es habe «keine andere Wahl gegeben».

Live erlebt haben diese Worte auch drei Milliardäre mit Beziehungen zur Schweiz. Andrey Melnichenko ist der Besitzer des Düngemittel-Produzenten Eurochem. Er lebt in St. Moritz und gilt als einer der reichsten Schweizer Einwohner. Der Stahl- und Bauunternehmer Dmitry Pumpyansky war auch am Treffen. Sein Sohn lebt in der Westschweiz. Auch der Investor Suleiman Kerimov war am Treffen zugegen. Seine finanzstarke Stiftung in Luzern unterstützt Kultur und Sport in der Schweiz.

Angesichts des Angriffskrieges zeigt sich die Schweizer Wirtschaft überrascht. Jan Atteslander, Leiter Aussenwirtschaft beim Dachverband Economiesuisse sagt: «Es ist durchaus denkbar, dass der ganze Westen seit 2014 eine falsche Russland-Politik verfolgt hat.» Man habe gemeint, mit dem Minsker Abkommen sei die Situation mehr oder weniger stabil. Nun sei man eines Besseren belehrt worden und trage die Sanktionen mit.

Keine Verallgemeinerung

Nicht alle Wirtschaftsbeziehungen sollten gekappt werden und nicht alle russischen Unternehmen verteufelt, findet Svetlana Chiriaeva. Sie ist die Präsidentin der politisch neutralen Schweizerisch-Russischen Handelskammer.

«Alle unsere Mitglieder sind einfache Unternehmer. Einfache Leute, die Jahr für Jahr ihre Geschäfte aufgebaut haben und Geld investiert haben.» Sie betont, dass nicht alle russischen Unternehmer grosse Putin-nahe Oligarchen seien. Es gebe auch viele KMU. Diese seien jetzt überrascht, da sie nicht mit den Schweizer Sanktionen gerechnet haben.

SRF Rundschau, 02.03.2022, 20:05 Uhr

Meistgelesene Artikel