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Kritik an Genom-Editierung Agrarökologin: «Die DNA ist kein Computercode»

Mit der Genom-Editierung kann das Erbgut von Organismen verändert werden. Ein Werkzeug dafür ist die Genschere CRISPR/Cas, die DNA durchtrennen und einzelne DNA-Bausteine modifizieren kann.

Von dieser Gentechnologie versprechen sich Befürworter viel, unter anderem die Lösung für den Welthunger. Die EU will sie nun erleichtern. Doch die Genom-Editierung birgt aus Sicht der Gegnerinnen viele Risiken – so auch in den Augen von Agrarökologin Angelika Hilbeck.

Angelika Hilbeck

Agrarökologin, Umweltsystemwissenschaften ETH

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Angelika Hilbeck ist Agrarökologin und forscht am Institut für Integrative Biologie im Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich. Seit 30 Jahren beschäftigt sie sich mit den Auswirkungen von Gentechnik auf Pflanzen und Ökosysteme.

SRF News: Was sehen Sie kritisch an den Änderungen, wie sie die EU für die Genom-Editierung vorschlägt?

Angelika Hilbeck: Es ist eine ganze Liste von Punkten, die ich kritisch sehe. Angefangen damit, dass man keine Sicherheitsabklärung mehr machen muss, dass die vorgenommenen Veränderungen im Genom auch tatsächlich diese entsprechende Eigenschaft haben, die hinterher beworben wird. Es geht um Produktwahrheit und Offenheit bei den Eingriffen.

EU: Freiheit für die Genom-Editierung

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Die EU-Kommission hat am 5. Juli 2023 einen Gesetzesentwurf präsentiert, der den Umgang mit neuen Gentechnologien wie der Genom-Editierung lockern will. Konkret sollen diese Methoden nicht mehr der Gentechnik-Regulierung unterworfen sein, wenn die Änderungen auch durch konventionelle Züchtung erreicht werden könnten.

Aktuell ist Gentechnik in Europa streng reguliert, und in den meisten Ländern ist es nicht möglich, solche Pflanzen auf den Markt zu bringen. Auch die Schweiz hat ein Gentechnik-Moratorium bis 2025. Bis spätestens 2024 muss der Bundesrat aufzeigen, wie neue Züchtungsmethoden bei Kulturpflanzen reguliert werden sollen.

Man kann nicht vorhersehen, was bei einer Genom-Editierung passiert, weil man nicht weiss, in welchen Gesamtkontext man eingreift. Wir wissen, dass Genome, also die Gesamtheit der Erbanlagen von Organismen, in einem fein abgestimmten Netzwerk zusammenarbeiten. Gentechniker greifen nun in einen Teil davon ein, den sie kennen, aber sie kennen nicht den gesamten Kontext.

Eine Gewitterwolke zieht über ein Weizenfeld in Deutschland.
Legende: Angst, aber auch Hoffnung: Genom-editierter Weizen könnte für glutenunverträgliche Menschen essbar sein. (Im Bild: Weizenfeld in Sachsen, Ostdeutschland) KEYSTONE/DPA/Bernd März

Wenn man in genomische Kontexte eingreift, kann alles bis nichts schiefgehen. Es können Allergene entstehen, bestimmte metabolische Prozesse können unterbrochen werden und sich verändern.

Was halten Sie von den Verfahren in Hinblick auf ihr wirtschaftliches Potenzial?

Diese Verfahren haben ein wirtschaftliches Potenzial in den vorgeschalteten Prozessen, das heisst in der Patentierung. Seit Beginn der Gentechnik wird uns versprochen, dass wir Wunderpflanzen und Wunderlösungen zu erwarten haben, die uns den Welthunger und die Biodiversitätskrise lösen, den Klimawandel bekämpfen und so weiter. Es hat nun seit 50 Jahren nichts dergleichen stattgefunden. Das heisst, es wird unglaublich viel versprochen, aber nur sehr wenige Produkte schaffen es überhaupt jemals auf den Markt.

Genforscherin: Weniger Pestizide mit Genom-Editierung

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Positiv zur Genom-Editierung äussert sich dagegen Franziska Oeschger, Leiterin Forum Genforschung bei der Akademie der Naturwissenschaften in Bern. Sie sagt: «Momentan sehen wir ein Potenzial für die Genom-Editierung bei der Entwicklung krankheitsresistenter Pflanzen.» Dadurch könne man unter anderem Pestizide einsparen. Weiter meint sie, dass mittelfristig auch Pflanzen interessant wären, die gegenüber höheren Temperaturen oder Trockenheit tolerant sind.

Im Weiteren weist sie darauf hin, dass es angesichts der Klimaveränderung mittelfristig auch Pflanzen braucht, die tolerant sind gegenüber höheren Temperaturen und Trockenheit.

Die Patentierung ist der Schlüsselfaktor, warum die neuen Technologien lukrativ sind. Denn die Instrumente und Protokolle sind alle patentiert. Das heisst, mit den Methoden und Werkzeugen wird unglaublich viel Geld verdient.

Sehen Sie auch Chancen dieser Technologie?

Nach 25 Jahren Forschungskarriere auf dem Gebiet sehe ich inzwischen keine Chancen mehr – schon gar nicht, wenn es um Anpassungsleistungen an die Umwelt geht. Das sind so komplexe Prozesse, die von Hunderten von Genen gesteuert oder beeinflusst werden. Da ist die Gentechnik einfach limitiert. Sie kann nur sehr einfache Gene beeinflussen und Eigenschaften, die über einzelne Gene ausgeprägt werden. Das ist nicht ausreichend, um ein solches Netzwerk in seiner Leistungsfähigkeit anzupassen, damit es sich an Klimawandel und dergleichen anpassen kann. Das funktioniert nicht mit kleinen Eingriffen.

Die Technologie wird oft mit Informatik verglichen. Was halten Sie davon?

Organismen sind keine Computer. Organismen funktionieren nicht wie ein Handy oder Laptop. Die DNA ist kein Computercode, und die Zellen lassen sich nicht ohne weiteres umprogrammieren. Ich weiss auch, dass diese Begrifflichkeiten gewählt wurden, um Bilder zu erzeugen, um sie vermarkten zu können, um Hoffnungen und Potenziale zu schüren. Das ist Unfug. Es geschieht offenbar auch nicht.

Das Gespräch führte Manuela Siegert.

Tagesschau, 05.07.2023, 19:30 Uhr ; 

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