Die wohl prominenteste Fassade des Bundeshauses direkt vor dem Bundesplatz soll mit zeitgemässer Kunst verändert werden. 15 Künstlerinnen und Künstler haben bis Ende September Zeit erhalten, Vorschläge für das Verzieren des grossen Dreiecks einzugeben. Das führte bei den Leserinnen und Lesern von srf.ch zu ganz unterschiedlichen Reaktionen.
Die Hauptkritik
- Aufgrund der Coronakrise sei kein Geld für die Verzierung des Bundeshauses vorhanden.
- Die Arbeit im Bundeshaus sei wichtiger, als die Fassade draussen.
- Alle sollten Vorschläge einbringen können.
Hans Rudolf Reust, Präsident der Kunstkommission des Parlamentsgebäudes hat Verständnis, dass eine solche Investition derzeit hinterfragt wird.
Das ist nun definitiv der falsche Zeitpunkt für so eine Luxus-Ausgabe.
Reust sieht die Krise aber als guten Moment, auch die Kunst zu würdigen: «Viele Kulturschaffende leiden. Dass man auch in Zeiten der Krise an die Kunst denkt, ist ein extrem positives Zeichen.» Mit den vorgesehenen 400'000 Franken für die Umsetzung des Projektes werde zudem niemand reich.
Man habe bewusst 15 erfahrene Künstlerinnen und Künstler ausgesucht, die einen Bezug zur Schweiz haben. So soll es qualifizierte Entwürfe und nicht unendlich viele Vorschläge geben.
Ein Zeichen der Hoffnung, dass es wieder was anderes als Corona geben wird.
Ähnliche Argumente nannten auch Leserinnen und Leser, die sich für eine Verzierung ausgesprochen haben. Eine nicht repräsentative Umfrage von SRF zeigt, dass genau so viele Leute für wie gegen die Kunst am Bundeshaus sind.
Die Zustimmung
- Kunst brauche keinen Sinn, Kunst sei kein Luxus.
- Künstlerinnen und Künstler sind Kleingewerbler, die auch etwas verdienen sollten.
- Es sei ein Zeichen der Hoffnung, dass es auch etwas wieder anderes als Corona geben werde.
Zudem geben verschiedene Experten zu Bedenken, dass bereits beim Bau vor 120 Jahren geplant war, das 23 Meter breite und 4 Meter hohe Tympanon auszuschmücken.
Das Dreieck sei nämlich prädestiniert für Kunst, erklärt Jean-Daniel Gross, Denkmalpfleger der Stadt Bern, zuständig für denkmalpflegerische Fragen rund um das Bundeshaus. «Die Tempelfassaden sind an die römisch- griechische Architektur angelehnt, welche die Dreiecke klassischerweise mit Kunst gefüllt hat.» Das sehe man auch an anderen Parlamentsgebäuden wie zum Beispiel in Washington.
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Bild 1 von 7. Das Tympanon an der Tempelfassade beim Kapitol in Washington ist ebenfalls mit Kunst verziert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 7. Der Reichstag in Berlin wurde mit zeitgemässer Kultur ergänzt. Dies zwar im Zusammenhang mit Kriegsschäden. «Die Kuppel wurde aber nicht einfach rekonstruiert, sondern in einer neuen und zeitgemässen Form gestaltet», sagt Jürg Schweizer. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 7. Schweizer war 20 Jahre lang Denkmalpfleger des Kantons Bern. Er sagt: «Früher wurde zeitgemässe Kunst mit grösster Selbstverständlichkeit an vorhandenen Bauten angebracht.» Auch viele Jahrhunderte nach dem Bau des Kölner Doms zum Beispiel wurde zeitgenösse Kunst zugefügt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 7. Im 20. Jahrhundert sei man zurückhaltender geworden. Er selbst habe grosses Interesse, dass zeitgenössische Ergänzungen auf eine gute Art an historischen Gebäuden wie das Bundeshaus Platz finden. In welcher Art ist jedoch offen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 7. Vor 120 Jahren sei dies noch nicht so gewesen, sagt Denkmalpfleger Gross. «Wir kennen Schriftstücke des Architekten, der schon sehr genaue Vorstellungen hatte, wie die Kunst aussehen soll.» In diesem nun sehr offenen Feld den richtigen Weg zu finden sei aber die grösste Herausforderung. Bildquelle: Archiv Bundesamt für Bauten und Logistik.
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Bild 6 von 7. Ein Tipp des langjährigen Denkmalpflegers des Kantons Bern, Jürg Schweizer: «Ich würde zur Zurückhaltung raten.» Schweizer würde sich lieber etwas Iintegratives als Provokatives wünschen. Man müsse aber auch bereit sein, das Unternehmen scheitern zu lassen, wenn kein geeigneter Vorschlag komme. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 7. Dafür müsse man das Gespür für das Bauwerk haben. Beim «Rendez-vous Bundesplatz» wurde die Nordfassade oft bespielt. Schweizer rechnet bei der geplanten Verzierung aber eher mit dreidimensionaler Kunst. Bildquelle: Keystone.
«Dieses starke Bild hat sich in der Architekturgeschichte weitergetragen», sagt Gross, der ebenfalls in der Jury zum Bundeshausdreieck sitzt.
Wenn man dies schon nachträglich machen möchte, dann sollte es zum Stil des Bundeshauses passen.
Neben Zustimmung oder Kritik ist die geplante Veränderung der Bundeshausfassade auch mit Wünschen verbunden.
Die Wünsche
- Keine moderne Kunst, keine Farben, keine LED-Projektion.
- Lieber den Bundesplatz vergrünen oder eine Skulptur hinstellen.
- Das Volk sollte entscheiden, wie die Fassade aussehen wird.
Vorgaben gibt es jedoch bewusst nicht viele. «Kunst kann nicht auf Befehl kommen», sagt Hans Rudolf Reust.
Aus denkmalpflegerischer Sicht sei wichtig, dass das Bundeshaus in seiner Wirkung nicht beeinträchtigt werde, sagt Denkmalpfleger Jean-Daniel Gross. «Es sollte mit einer gewissen Würde daher kommen und etwas mit dem Parlament oder der Demokratie zu tun haben.» Die Kunst solle zeitgemäss sein, man wolle nichts nachbilden, das man beim Bau vor 120 Jahren gemacht hätte. Trotzdem solle sich die Kunst gut in das Gesamtbild einfügen. Eine schwierige Aufgabe für die Künstlerinnen und Künstler.
Sollte keiner der Vorschläge passen, wird das Dreieck wohl noch länger leer stehen.