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«Kurz vor Zwölf» SVP bekämpft Schweizer Kandidatur für UNO-Sicherheitsrat

Die Schweiz kandidiert für einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat. Seit langem kämpft die SVP dagegen an. Nun, mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine, sieht sie sich bestätigt: Mit einem Einsitz in dem Rat setze die Schweiz ihre Neutralität und Sicherheit aufs Spiel.

Der Appell von SVP-Aussenpolitiker Roger Köppel an den Bundesrat am Freitag vor den Medien ist klar: «Ziehen Sie das Gesuch um einen Beitritt der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat zurück.» Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zeige sich, Krieg sei wieder Realität in Europa.

Addor, Köppel, Chiesa an einem Medienkonferenz an einem Tisch
Legende: SVP-Nationalrat Roger Köppel (2.v.l.) will den Beitritt der Schweiz im Juni verhindern. Keystone

Umso mehr müsse die Schweiz an ihrer Neutralität festhalten und in die Sicherheit investieren. Im UNO-Sicherheitsrat werde über Krieg und Frieden entschieden, sagt SVP-Präsident Marco Chiesa. «Wir müssen unsere bewährte Neutralität gewährleisten, auch in Zukunft. Wir sollten nicht entscheiden zwischen Krieg und Frieden. Wir sind ein unabhängiges, neutrale Land, und es muss so weitergehen.»

Wermuth: Wann, wenn nicht jetzt

Gerade jetzt zeige sich, wie wichtig die UNO sei, kontert SP-Co-Präsident Cédric Wermuth, mit ihrem Einsatz für Rechtsstaatlichkeit, und für eine Ordnung, die auf Regeln basiere. «Der Sicherheitsrat ist das einzige internationale Gremium, das wir haben, das berechtigt ist, genau solche Fälle zu verhandeln.» Dort brauche es Länder wie die Schweiz.

Schweiz mit guten Wahlchancen

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Die Schweiz kandidiert unter dem Slogan «Ein Plus für den Frieden» für einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat für die Jahre 2023 und 2024. Der Bundesrat hat die Kandidatur 2011 beschlossen und eingereicht – nach umfangreicher Konsultation mit dem Parlament. Die Wahl findet im Juni 2022 in New York statt. Entscheiden werden die 193 Länder der UNO-Generalversammlung. Für die zwei Sitze westlicher Staaten kandidieren lediglich die Schweiz und Malta. Deshalb gilt die Wahl als Formsache.

«Länder, die nicht zu einem konfrontativen Block zugeordnet werden, sondern die für die Werte der Menschenrechte einstehen können. Ich würde sagen, wenn jemals die Präsenz der Schweiz wichtig war, dann gerade in dieser angespannten Situation jetzt kann sie etwas beitragen.»

Nicht der erste Versuch der SVP

Die Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat wurde vor elf Jahren vom Bundesrat eingereicht. Seither hat die SVP mehrfach versucht, den Bundesrat zu einem Rückzug aufzufordern, ist damit aber immer im Parlament gescheitert. Nun, bevor die Generalversammlung Anfang Juni wählt, nimmt die SVP also noch einmal einen Anlauf.

«Es hat bereits verschiedene Vorstösse im Parlament gegeben», sagt FDP-Präsident Thierry Burkart. «Das Parlament hat daraufhin klar Stellung bezogen. (...) Jetzt, kurz vor Zwölf, die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat zurückzuziehen, ohne dass man damit einen Beitrag zur Sicherheit der Welt leisten könnte, sehe ich nicht als gegeben.»

Skepsis auch in der Mitte-Fraktion

Nach Vorstössen der SVP werden National- und Ständerat in der Frühlingssession das Thema noch einmal aufrollen. Dass der Krieg in der Ukraine die Mehrheitsverhältnisse in dieser Frage dreht, ist eher unwahrscheinlich. Allerdings ist die SVP im Parlament nicht allein mit ihren Bedenken. In der Vergangenheit haben sich auch schon einzelne Freisinnige gegen einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat ausgesprochen.

Am grössten ist die Skepsis wohl in der Mitte-Fraktion. Das hat eine gewisse Tradition. Laut einer Umfrage stimmten schon vor 20 Jahren die damaligen CVP-Wählerinnen und -Wähler zwar mehrheitlich für einen Beitritt zur UNO, aber weniger klar als linke oder freisinnige Stimmende. Und im Nationalrat enthielt sich zuletzt ein Drittel der Mitte-Fraktion, als es darum ging, die Kandidatur für den Sicherheitsrat zurückzuziehen.

Gerade in solchen Konflikten muss die Schweiz Stellung beziehen und könnte damit ihre neutrale Vermittlerrolle gefährden.
Autor: Elisabeth Schneider-Schneiter Nationalrätin (Mitte/BL)

Ihre aktuelle Position in dieser Frage wird die Mitte-Fraktion nächste Woche festlegen. Diesem Entscheid möchte Mitte-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter nicht vorgreifen. Sie sagt aber, es gebe Gründe dafür und dagegen, «weil gerade in solchen Konflikten die Schweiz Stellung beziehen muss und damit ihre neutrale Vermittlerrolle gefährdet werden könnte.» Andererseits könne es auch eine Chance sein, «zwischen den Grossmächten taktisch und geschickt zu vermitteln».

Entscheiden wird der Nationalrat in zwei Wochen in einer von der SVP erbetenen Debatte, für die rund 30 Minuten reserviert sind.

Echo der Zeit, 25.02.2022, 18:00 Uhr

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