Alles begann mit einer Reise nach Wien im Jahr 1958. Der damals 37-jährige Robert Sallmann sah dort im Schloss Schönbrunn die Kutschensammlung des früheren Kaisers Österreich-Ungarns. Der pferdebegeisterte Textilindustrielle aus dem Thurgau war beeindruckt – und startete daheim in Amriswil seine Sammlung mit den acht Kutschen, die er von seinen Vorfahren geerbt hatte. Der Grundstein für die aktuell wohl grösste Kutschensammlung der Schweiz war gelegt.
So schildert Andreas Sallmann, der heute 65-jährige Sohn des Robert Sallmann, die Entstehungsgeschichte der aussergewöhnlichen Sammlung. Auf teilweise abenteuerlichen Wegen sei sein Vater ab 1960 zu immer neuen Kutschen gekommen und habe die Sammlung stetig erweitert.
Per Inserat auf Suche nach Kutschen
Anfangs suchte er via Zeitungsinserat nach alten Fuhrwerken. Die Thurgauer Unternehmerfamilie Schwarzenbach bot Robert Sallmann darauf ihre Kutschen an, weil sie ihren Betrieb gerade motorisierte und auf Lastwagen umstieg; in einer dieser Kutschen war der Deutsche Kaiser gefahren, als er 1912 im Thurgau zu Gast war. Auch von anderen Kutschenbesitzern habe sein Vater Fahrzeuge teilweise kostenlos erhalten, sagt Andreas Sallmann – und sie so vor der Verbrennung gerettet.
Vom Krankenwagen bis zur Kaiserkutsche
Heute präsentieren sich in der grossen Halle, die etwas versteckt hinter dem Friedhof von Amriswil steht, Dutzende von Kutschen. Der Bestand ist vielfältig und reicht vom Krankenwagen auf vier Holzrädern über Jagdwagen und die Militärküche bis hin zu edlen Kutschen aus Leder.
Früher haben mich die Kutschen nicht interessiert.
Andreas Sallmann erinnert sich, wie er als Kind einen Handel seines Vaters mitbekam, auf der Heimfahrt aus den Ferien übers Prättigau. Plötzlich habe der Vater bei einem Bauernhof angehalten und auf eine Blache gezeigt. Tatsächlich habe sich darunter eine Postkutsche verborgen. Dem Bauern habe der Vater «zweituusig Stutz» geboten. Es habe einen kräftigen Handschlag gegeben. Als 6-jähriger Bub sei er dabei staunend daneben gestanden.
Als junger Geschäftsmann hatte Andreas Sallmann andere Interessen als die Kutschen seines Vaters. Er hatte ihm aber zusammen mit seinen beiden Schwestern versprochen, dass er sich zumindest um die Zukunft der Sammlung kümmern wolle.
Aus der Sammlung soll ein Museum werden
2017 verstarb Sammlungsgründer Robert Sallmann. Das Traueressen habe auf Vaters Wunsch in den Räumen der Kutschensammlung stattgefunden, sagt sein Sohn. Dabei sei der Familie klar geworden, dass sie die Sammlung selber behalten und weiterentwickeln wolle.
Aus der Sammlung wird ein Museum
Und daran arbeitet Andreas Sallmann seither. In den vergangenen Jahren investierte er in die Sammlung, renovierte, entrümpelte, reorganisierte. Aus der Sammlung soll ein interaktives Museum entstehen. Eine originale Wagnerei hat er bereits aufgebaut, eine Sattlerei ebenfalls. Eine Schmiede soll folgen.
Um die Sammlung seines Vaters langfristig zu sichern, will Sallmann einen Förderverein gründen, der sich nebst den Finanzen auch um den Unterhalt der Sammlung kümmert. Und, sagt er: «Wir hoffen, dass wir ein jüngeres Publikum ansprechen können. Es soll sehen, wie diese Kutschen von Hand entstanden sind und wie darin gereist wurde.»