Eigentlich ist Christian Schoenenberger seit letztem Sommer pensioniert. Er spielt wieder mehr Jazz-Klavier und unterstützt Künstlerinnen aus der Ukraine oder Schweden. Denn dorthin hat er gute Beziehungen – und nicht nur in diese Länder: Er war über 30 Jahre lang Diplomat in Südkorea, Haiti und eben Schweden und der Ukraine. Dort war er 2014 als Botschafter auch an den Verhandlungen zur Deeskalation des damaligen Ukraine-Konflikts beteiligt.
Christian Schoenenbergers Verhandlungskompetenz will sich nun Swissnuclear zunutze machen. Der Branchenverband der Kernkraftwerkbetreiber liess ihn kurz nach seiner Pensionierung anfragen, ob er Gesprächsführer werden möchte in den Verhandlungen mit den künftigen Standortgemeinden des geologischen Tiefenlagers von Nuklearabfällen.
Schoenenberger sagte zu: «Ich hab mich sehr gefreut, einen Beitrag zu leisten.» Die sichere Lagerung von Nuklearabfällen sei für ihn ein wichtiges Thema – und eine grosse Verantwortung gegenüber künftiger Generationen, sagt der 65-Jährige, der selber zwei erwachsene Töchter hat. Heute lebt er zusammen mit seiner Frau in Bern.
Kürzlich hat sich Christian Schoenenberger zum ersten Mal den Einwohnerinnen und Einwohnern derjenigen Region vorgestellt, die letztes Jahr ausgewählt wurde als Standort des nuklearen Tiefenlagers. An der Informationsveranstaltung der Gemeinden Stadel, Weiach und Glattfelden im Zürcher Unterland präsentierte er den Ablauf der Gespräche zwischen den Gemeinden, den Kantonen und den AKW-Betreibern.
Erst wenn wir die Wünsche kennen, können wir ein Preisschild nennen.
Am meisten interessierte die Teilnehmenden die Entschädigungsgelder. Im Vorfeld stand die Summe von 700 Millionen Franken im Raum, die die Gemeinden bekommen sollen. Konkrete Zahlen nannte Schoenenberger aber keine. Das stiess an der Informationsveranstaltung auf Unverständnis: «Swissnuclear weigert sich offenbar, über konkrete Zahlen zu sprechen», sagte eine Besucherin, «man bekommt das Gefühl, es werde einem etwas verheimlicht.»
Christian Schoenenberger geht es aber nicht um Geheimnistuerei. Konkrete Zahlen seien das Verhandlungsresultat, nicht etwas, das zu Beginn feststehe: «Wir müssen zuerst schauen, was die Region konkret braucht – sei es die Förderung des öffentlichen Verkehrs oder des lokalen Tourismus. Erst wenn wir die Wünsche kennen, können wir auch ein Preisschild nennen.»
Grundsätzlich äusserten sich die Anwesenden der Informationsveranstaltung positiv über Schoenenbergers Auftritt. Er sei kompetent und wisse Bescheid. Allerdings wirkten die Laien auf der Gemeindeseite im Vergleich zum Spitzendiplomat wie David gegen Goliath, sagten Besucherinnen und Besucher.
Gemeinden gegen Spitzendiplomat wie David gegen Goliath?
Er könne diesen Eindruck nachvollziehen, sagt Schoenenberger. Aber es sei nicht die Absicht der AKW-Betreiber, hier ein Gefälle auszunützen. Vielmehr sei sein Auftrag, ein faires Verhandlungsresultat auszuhandeln, das am Ende für alle akzeptabel sei. Die Aussichten darauf schätzt Schoenenberger als gut ein: «Die involvierten Personen sind alle pragmatisch und lösungsorientiert.»
In den nächsten Jahren werden die Verhandlungen über die Abgeltungen stattfinden. Ob Christian Schoenenberger diese auch abschliessen wird, ist noch offen – vorerst gilt sein Mandat erst für die Vorgespräche.