Der im Winter bei Einheimischen wie Touristen beliebte Spazierweg entlang des Seeufers schliesst in den Sommermonaten. Von Ostern bis Oktober versperren Zäune den Durchgang. Der Verein Rives Publiques sowie Politikerinnen und Politiker aus dem linken Parteispektrum setzen sich für einen ganzjährigen Seeuferzugang ein.
Umstrittene Sperrungen am Strand
SP-Nationalrat Bruno Storni hat den Spaziergang am Jugendsportzentrum Tenero schon oft gemacht. Doch seit Ostern endet der Weg nach wenigen Hundert Metern. Die benachbarten Campingplätze sperren das Seeufer mit Zäunen und Toren ab.
Storni wehrt sich dagegen. «Das ist der schönste Strand der Schweiz. Wir haben in Tenero praktisch zwei Kilometer Strand – und der wird durch diese völlig unästhetischen Zäune verschandelt», kritisiert Storni.
Die Campingplatzbesitzer wollen den Zugang für ihre Gäste reservieren. Auch der Sportplatz möchte nicht, dass im Sommer Spaziergänger das Gelände betreten.
Die sportlichen Aktivitäten wie Kanufahren, Surfen, Segeln und Rudern am Ufer und im See würden dadurch gestört, sagt Bixio Caprara, der Direktor des Eidgenössischen Sportzentrums Tenero.
SP-Nationalrat Storni argumentiert wiederum mit dem Raumplanungsgesetz: «Gemäss Artikel 3 des Raumplanungsgesetzes muss der Zugang zum Ufer grundsätzlich gewährleistet sein», erklärt Storni.
Vereinbarung von 2019 regelt den Zugang
Der Bundesrat beantwortete einen entsprechenden Vorstoss von Storni abschlägig. Das Raumplanungsgesetz lasse einen Gestaltungsspielraum offen. Eine 2019 zwischen dem Sportzentrum, dem Kanton Tessin, den betroffenen Gemeinden Tenero-Contra und Minusio sowie den angrenzenden Privaten getroffene Vereinbarung sei eine einvernehmliche Lösung.
Storni und der Verein Rives Publiques, der sich für einen uneingeschränkten Seezugang einsetzt, erachten diese Vereinbarung als rechtswidrig. Sie sei über die Köpfe der Bevölkerung hinweg und ohne Zustimmung des Gemeinderats getroffen wurde, so Storni.
Jedes Jahr verzeichnen die sechs Campingplätze in Tenero am Lago Maggiore laut eigenen Angaben 800'000 Übernachtungen. Sie sind wirtschaftlich bedeutend für Tenero-Contra, sagt der Gemeindepräsident Graziano Crugnola von der FDP: «Sie zahlen Steuern oder investieren viel in unsere Unternehmen in Tenero-Contra oder sogar in Minusio.»
Crugnola will zwischen den Kritikern, Anrainerinnen und Campingplätzen vermitteln, sieht die Vereinbarung von 2019 aber als Kompromiss – ohne, dass er den Campingplätzen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu viel Recht einräumen will.
Geteiltes Ufer, geteilte Meinungen
Der Verein Rives Publiques kritisiert in einem Rechtsgutachten die Situation in Tenero und Minusio. Er sieht die halbjährliche Schliessung des Seeuferzugangs als rechtlich unzulässig.
Auch die Betreiber der Campingplätze zeigen wenig Verständnis. Vor der Kamera wollen sie keine Auskunft geben. Es sei klar geregelt und Privatbesitz. Sie zahlen dem Kanton pro Meter Seeufer 200 Franken im Jahr für die Nutzung. Insgesamt würden die Campingplätze so jährlich über 250'000 Franken an den Kanton für den Seezugang zahlen, schreiben die sechs Campingplatzbetreiber.
Der Gemeindepräsident von Tenero, Graziano Crugnola, will jetzt vermitteln – angesichts der unterschiedlichen Interessen wohl keine einfache Aufgabe.