Zum Inhalt springen

Lawinenabgang in Andermatt «Es darf keinen Druck geben, Pisten zu öffnen»

Einen Tag nach der Lawine im Skigebiet Andermatt-Sedrun ist die Suche nach Vermissten abgeschlossen. Zwei leichtverletzte Personen wurden geborgen. Vier konnten sich selber befreien. Die Lawine ging auf eine Piste nieder, die zum ersten Mal in dieser Wintersaison geöffnet wurde. Bruno Jelk ist einer der erfahrensten Bergretter der Schweiz. Für ihn ist es sehr ungewöhnlich, dass eine Lawine über eine Skipiste donnert.

Bruno Jelk

Ehem. Bergrettungschef in Zermatt

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Jelk war 34 Jahre lang Bergrettungschef in Zermatt. Er gilt als Pionier der Bergrettung.

SRF News: Wurde die Piste zu früh freigegeben?

Bruno Jelk: Das kann man nicht sagen. Der Pistenchef beurteilt die Lage vor Ort. Er hat vermutlich entschieden, dass keine Gefahr herrscht und die Piste aufgemacht. Es ist also nicht so, dass die Piste zu früh aufgemacht wurde oder eben nicht.

Ist es ungewöhnlich, dass eine Lawine auf eine offene Skipiste trifft?

Das kommt in der Schweiz sehr selten vor. Letztes Jahr ist es einmal passiert und nun in Andermatt. Das Problem bei diesem Abgang war, dass es sich um eine Gleitschneelawine handelte. Bei diesen gibt es noch kein Rezept vorauszusagen, wann diese niedergeht. Das kann heute, morgen, in einer Stunde sein. Das ist ein grosses Problem.

Karte des Unglücksgebiets
Legende: Die Lawine löste sich am Donnerstagvormittag um 10.47 Uhr im Gebiet Oberalppass/Felli und donnerte auf eine Skipiste. SRF

Laut dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) gilt für die Region Andermatt die Gefahrenstufe 3, also erhebliche Lawinengefahr. Die Verantwortlichen der Skiarena sagen, sie hätten am Mittwoch noch Sprengungen vorgenommen. Warum hat das nichts genützt?

Gleitschneelawinen sind fast nicht zu sprengen. Wir haben in Zermatt auch Sprengungen durchgeführt. Bei zwei Gleitschneelawinen waren wir erfolgreich, eine andere löste sich nicht.

Jedes Skigebiet muss selber entscheiden, was zu tun ist.

Bei diesen Sprengungen hat man eine Erfolgschance von lediglich 30 Prozent. Der Schnee ist stabil und verfestigt und damit ist es schwierig, die Lawine zu lösen. Die Probleme mit Gleitschneelawinen gibt es weltweit.

In den vergangenen Tagen war es sehr warm, auch durch den Föhn. Hat das eine Rolle gespielt?

Gleitschneelawinen können bei Temperaturrückgang oder bei Temperaturanstieg abgehen. Meistens gehen sie zwar bei Temperaturanstieg ab, darauf kann man sich aber nicht verlassen.

Wie gross ist der Druck an einem schönen Tag eine Piste zu öffnen, auch wenn Lawinensituation unklar ist?

Wenn der Pistenchef die Piste aufmacht und eine Lawine abgeht, ist er verantwortlich. Er entscheidet mit seinem Team, den Patrouilleuren. Es darf in dieser Situation keinen Druck geben.

Heute gibt es noch einmal Neuschnee, am Wochenende dann Traumwetter. Was bedeutet das für die Lawinensituation?

Die Lawinengefahr wird erheblich bleiben. Lawinen, auch Gleitschneelawinen, können abgehen. Jedes Skigebiet muss selber entscheiden, was zu tun ist, wenn sie Risse in den Schneedecken oberhalb von Pisten feststellen. Es liegt in der Hand der Verantwortlichen, die Pisten zu öffnen oder eben nicht.

Das Gespräch führte Joël Hafner.

Meistgelesene Artikel