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Interview mit Corona-Taskforce-Chefin Tanja Stadler
Aus Tagesschau am Vorabend vom 22.03.2022.
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Letzter Auftritt der Taskforce Tanja Stadler: «Die Kritik schlug in Drohungen um»

Zum 100. Mal informierten am Dienstagnachmittag die Fachexperten des Bundes zur aktuellen Corona-Lage – überzeugt, dass es auch das letzte Mal sein sollte. Ende März legt die Covid-Taskforce nach zwei Jahren ihre Arbeit nieder. Damit endet auch eine intensive Phase für Tanja Stadler, die Leiterin der Taskforce. Zahlen sammeln, Grafiken erklären, die Balance finden zwischen Warnen und Beruhigen. Im Gespräch blickt Stadler auf ihre Tätigkeit zurück.

Tanja Stadler

Tanja Stadler

Mathematikerin und Biostatistikerin

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Tanja Stadler präsidierte bis zur Auflösung im Frühling 2022 die wissenschaftliche Corona-Taskforce des Bundes. Seit Ende November ist sie nun die Präsidentin des neuen Covid-Beratergremiums, das Bund und Kantone berät. Es umfasst 14 Mitglieder aus unterschiedlichen Institutionen und Fachbereichen. Tanja Stadler ist Professorin am Departement für Biosystems Science und Engineering an der ETH, das in Basel angesiedelt ist. Die Mathematikerin und Biostatistikerin entwickelt unter anderem Methoden, um die Ausbreitung von Virus-Epidemien zu berechnen.

SRF News: Tanja Stadler, etwa 80 Prozent der Bevölkerung haben sich bereits mit Omikron infiziert, wie man am Nachmittag hören konnte. Inklusive mir. Wie ist es bei Ihnen?

Tanja Stadler: Nachweislich hatte ich es noch nicht, aber wir haben momentan eine Dunkelziffer von rund vier, nur eine von vier Infektionen wird bestätigt. Das heisst, eventuell habe ich es ohne Symptome auch gehabt.

Ist dies der Grund, warum Sie so vorsichtig sind? Sie haben darauf bestanden, dass wir das Interview mit Maske führen.

Ich würde das Interview mit Maske führen, auch wenn ich die Infektion bereits gehabt hätte. Weil wir eine derart hohe Zirkulation an Viren haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von uns infiziert ist, hoch. Und Masken sind ein sehr einfaches Werkzeug, um das Risiko von Infektionen stark zu senken. Deshalb ziehe ich generell in Innenräumen eine Maske an.

Momentan sind die schiere Zahl der Infektionen und potenzielle Long-Covid-Folgen das Problem, nicht die Schwere der Fälle.

Etwa 100'000 Infektionen gibt es nach Schätzungen im Moment pro Tag. Und trotzdem sollen in zehn Tagen die letzten Massnahmen fallen, die Maskenpflicht im ÖV und die Isolations-Anordnung. Kann man das verantworten?

Epidemiologisch ist klar: Die Masken bremsen momentan zu einem gewissen Grad die Infektionen. Die Isolation hat auch eine Wirkung, indem infizierte Personen die Ansteckung nicht weitergeben können. Vor diesem Hintergrund werden wir sehen, was entschieden wird. In der Politik wurde immer gesagt, man orientiere sich an den schweren Verläufen, und die konnten wir tatsächlich mit der Impfung in der Schweiz extrem gut senken. Momentan sind also die schiere Zahl der Infektionen und potenzielle Long-Covid-Folgen das Problem, aber nicht die Schwere der Fälle.

Sie haben sich ein wenig vor einer Antwort gedrückt. Sie könnten jetzt sagen, der Bundesrat dürfe in zehn Tagen nicht beschliessen, alles aufzuheben!

Das würde ich machen, wenn ich Politikerin wäre. Ich bin aber Wissenschaftlerin, und deswegen ist für mich klar, dass wir mehr Infektionen haben, wenn man die Massnahmen aufhebt, als wenn man sie nicht aufhebt. Aber die Immunität der Bevölkerung steigt weiter. Das wird auf Dauer bremsen.

Und das Ziel ist immer noch, die Spitalkapazitäten aufrechtzuerhalten?

So, wie ich das in der Normalisierungsphase beim Bundesrat verstehe, ja. Auf den Intensivstationen ist es machbar.

Ein zentraler Aspekt ist, dass wir im Sommer wissen, wem wir Auffrischungsimpfungen anbieten möchten.

Am Nachmittag war die letzte Medienkonferenz von Ihnen als Präsidentin der Taskforce. Die Taskforce wird aufgelöst. Braucht es sie nicht mehr?

Die Wissenschaft braucht es definitiv weiter, und zwar über viele Jahre. Wir sprachen gerade von Long Covid, das sind Langzeitfolgen. Ebenso haben wir Langzeitfolgen bei der psychischen Gesundheit. Da braucht es noch sehr viel Forschung, damit wir den betroffenen Personen besser helfen können. Aber die Taskforce war ein Instrument in einer akuten Krise. Allmählich geht die Schweiz nun in die regulären Strukturen über. Und da sehe ich es so, dass die Wissenschaft auf Anfrage und Bedürfnisse der Entscheidungsträger und Behörden ihre Erkenntnisse bereitstellt. Die Taskforce als Kriseninstrument brauchen wir nicht mehr.         

Im Herbst, das sind sich alle einig, wird die nächste Welle kommen. Was braucht es, damit wir nicht wieder so richtig reinrasseln?

Ein zentraler Aspekt ist, dass wir im Sommer wissen, wem wir Auffrischungsimpfungen anbieten möchten. Und dass wir im Herbst eine Impfkampagne haben, mit welcher wir erreichen, dass die Personengruppen, die das brauchen, wirklich gut durchimpft sind und so einen guten Schutz vor schweren Verläufen haben. Wir wissen jetzt, dass Masken und frische Luft helfen, Riesenwellen zu vermeiden, wo anschliessend die Infrastruktur wieder an ihre Grenzen kommt.

Also frische Luft in den Innenräumen, gute Raumluft: Das sagen Sie seit neun Monaten, seit Sie Taskforce-Präsidentin sind. Die Politik hat aber bis jetzt in dieser Beziehung nichts gemacht. Ist das nicht frustrierend?

Mein Wunsch für die nächsten Monate ist in der Tat, dass die Schweiz dort vermehrt Anstrengungen unternimmt, sodass dann zum Beispiel in den Schulen wirklich für frische Luft gesorgt werden kann.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihr Präsidium der Taskforce, was war der schwierigste Moment?

Das war in der Zeit, wo die Diskussion um die Zertifikate stattfand und die Kritik in Drohungen umgeschlagen hat. Da musste ich mir, wenn ich hier in Bern war, überlegen, wie ich auf den Zug komme, wenn diese grossen Demonstrationen stattfanden.

Da haben Sie sich bedroht gefühlt?

Ja.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

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Aus dem Archiv: Wie zielgenau waren die Szenarien der Taskforce?
Aus 10 vor 10 vom 15.02.2022.
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Tagesschau, 22.3.2022, 18:00 Uhr;

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