- Im grössten Mafia-Prozess seit Jahrzehnten sind 2100 Jahre Haft ausgesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte über 4700 gefordert.
- 300 mutmassliche Mitglieder oder Helfer der 'Ndrangheta standen vor Gericht. 207 wurden verurteilt.
- Unter den Verurteilten ist auch ein ehemaliger Abgeordneter der Regierungspartei Forza Italia.
Ein ehemaliger Forza Italia Abgeordneter wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. Dies im Rahmen Italiens grösstem Mafia-Prozess seit Jahrzehnten. Der konservative Politiker Giancarlo Pittelli wurde schuldig gesprochen, für die Verbrecherorganisation 'Ndrangheta tätig gewesen zu sein. Auch ein Ex-Polizist und ein ehemaliger Politiker auf regionaler Ebene wurden zu Haftstrafen verurteilt, weil sie in Diensten der Mafia standen.
Die höchsten Strafen gab es gegen zwei Bosse der Verbrecherorganisation 'Ndrangheta, die jeweils für 30 Jahre ins Gefängnis müssen.
Wegen der Dimension des Verfahrens wurde in Lamezia Terme eigens ein Callcenter in einen Hochsicherheitstrakt mit einem riesigen Gerichtssaal umgebaut.
Grundlage für den seit Januar 2021 laufenden Prozess waren Aussagen mehr als 50 verschiedener Kronzeugen, die der 'Ndrangheta abgeschworen haben.
Der Mann, der die Bosse und Helfer ins Gefängnis brachte, lebt nun woanders – unter strengstem Schutz der Polizei.
Die Schweiz: Wichtige Basis für die 'Ndrangheta
Die 'Ndrangheta ist eine der wichtigsten Mafia-Organisationen weltweit, weshalb sie auch global im Fokus von Ermittlungen steht. Der italienische Antimafia-Staatsanwalt Giovanni Melillo hat vor einem Jahr gegenüber SRF erklärt: «Besonders beunruhigend ist die Präsenz der ’Ndrangheta in der Schweiz.» Laut Mafia-Bekämpfern nutzt die Organisation die Schweiz auch als Ausgangspunkt für Aktionen in Italien – eine neue Entwicklung.
Am 22. August 2014 hat die kalabrische Polizei eine Videosequenz mit dem Namen «Operazione Helvetica» online gestellt. Die eingeblendeten Gespräche kreisen um die «geschäftlichen Möglichkeiten» wie Erpressung, Kokain, Heroin und um die «Gesellschaft in Frauenfeld».
Am 23. Juli 2020 sind in einer koordinierten Aktion in den Kantonen Thurgau, Zürich und Wallis zeitgleich 15 mutmassliche Mitglieder der kalabrischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta festgenommen worden.
Auch bei einer gesamteuropäischen Mafia-Razzia im Mai führten Spuren in die Schweiz. Den Ermittlungsakten war etwa zu entnehmen, dass ein Waffenhändler aus der Schweiz die 'Ndrangheta versorgt. Auch Drogenhandel über die Schweiz sei in den abgehörten Telefonaten zur Sprache gekommen.
Geld vor allem aus dem Drogenhandel
Allein mit dem Drogenhandel macht die 'Ndrangheta wohl rund 30 Milliarden Euro Gewinn pro Jahr. Das ist mehr als die Hälfte des geschätzten Gesamtumsatzes. Im Bereich Drogenhandel arbeitet sie eng mit südamerikanischen Kartellen zusammen. Weiter ist die Mafia-Organisation in andere illegale Aktivitäten involviert: Korruption, Erpressungen, Geldwäsche, Waffenhandel, Glücksspiel und Prostitution.
Im Süden Italiens walten verschiedene Mafia-Kartelle über die jeweiligen Regionen. Die 'Ndrangheta stammt aus Kalabrien. Nach Einschätzung von Experten besteht die Gruppe aus etwa 150 Familien.