Zum Inhalt springen

Marco Sieber Er hat Nicollier bewundert – jetzt wird er selbst Astronaut

Der neue Schweizer Raumfahrer Marco Sieber fliegt dereinst zur ISS. Dafür musste er viel leisten und sich beweisen.

«Die Heimat verliert man nie», sagt Marco Sieber mit Blick auf seinen künftigen Arbeitsort. Es falle ihm zwar schwer, aus dem Kanton Bern, aus seiner Heimat wegzuziehen – aber wer hat schon die Chance, sich von der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa zum Astronauten ausbilden zu lassen?

Bald geht der 33-jährige Berner 400 Kilometer in den Norden, nach Köln zur Ausbildung und danach kommen in der Vertikale nochmals 400 Kilometer dazu – wenn er eines Tages in der Internationalen Raumstation ISS über der Erde schwebt.

Armstrong und Nicollier als Vorbilder

Schon als Kind sei er von der Raumfahrt fasziniert gewesen, sagt Sieber im Interview mit SRF News. Mit seinem Bruder habe er Astronaut gespielt: «Wir haben Stühle aufeinander gestapelt, haben uns drauf gesetzt und hatten das Gefühl, wir sitzen in einer Rakete.»

Die Bilder der ersten Mondmission von 1969 aus Büchern und Filmen prägten ihn. Die Weltraumpioniere und auch der Schweizer Astronaut Claude Nicollier waren grosse Vorbilder. «Zu ihnen habe ich hochgeschaut und geträumt, dasselbe wie sie zu tun.»

Ziel stets im Hinterkopf

In einem Praktikum während seines Medizinstudiums hat Sieber das erste Mal von der Astronautenauswahl im Jahr 2008 gehört. Er fand heraus, dass die Esa diese Selektion regelmässig durchführt. «Ich habe das dann im Auge behalten und gewartet, bis es wieder diese Möglichkeit gibt.»

Sieber musste sich einige Jahre gedulden, denn erst 2021 eröffnete die Esa ein neues Auswahlverfahren. Ganz direkt auf das Auswahlverfahren hingearbeitet habe er nicht, sagt Sieber, aber verschiedene Dinge habe er schon mit diesem Ziel im Hinterkopf gemacht. So hat er die Lizenz zum Privatpilot gemacht. «Natürlich aus Freude an der Sache, aber auch ein bisschen im Hinblick, dass es ein Vorteil bei der Bewerbung sein kann», erklärt Sieber.

Das ist Marco Sieber

Box aufklappen Box zuklappen
Marco Sieber auf einer Bühne mit Mikrofon. Er lächelt leicht.
Legende: Der 33-jährige Marco Sieber schaffte den Sprung für eine Ausbildung bei der Esa. Keystone/EPA/Mohammed Badra

Marco Sieber (33) ist aufgewachsen in Burgdorf im Kanton Bern, wo er das Gymnasium besuchte. In der Armee liess er sich 2009 zum Fallschirmjäger ausbilden. An der Universität Bern befasste sich der Arzt 2015 mit der robotergestützten Chirurgie. Aktuell arbeitet er noch als Urologe am Spital Biel. Er leistet zudem Einsätze als Notarzt in der Helikopterrettung.

Sieber treibt gerne Sport. In seiner Freizeit geht er auf Skitouren, fliegt mit dem Gleitschirm oder surft mit dem Kite übers Wasser. «Das sind die Aktivitäten, bei denen ich abschalte und auch meine Fitness aufrechterhalte», sagt er.

Über 22'000 Menschen haben sich bei der Esa beworben. In sechs Stufen prüfte die Raumfahrtbehörde die Bewerberinnen und Bewerber. Die erste Testrunde empfand Sieber als sehr stressig. Zuerst wurde mit computerbasierten Tests die Reaktionsfähigkeit und das mathematische sowie logische Denkvermögen auf die Probe gestellt, wie er berichtet. «Wirklich vorbereiten konnte man sich nicht.»

Nach jeder Stufe dachte ich: ‹Das war wohl jetzt die Letzte›
Autor: Marco Sieber Schweizer Astronaut

Später folgten Interviews zur psychologischen Verfassung und ausführliche medizinische Untersuchungen. «Nach jeder Stufe dachte ich: ‹Das war wohl jetzt die Letzte›.» Doch Sieber kam im Verfahren immer weiter.

Wichtig in dieser Zeit war für ihn der Austausch mit Freunden und den anderen Kandidierenden. «Es war sehr kollegial, es gab kein Konkurrenzdenken», sagt er.

Am Schluss des Auswahlverfahrens interviewte ihn der Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher. Aschbacher sagt über Sieber: «Er war sehr professionell, sehr fokussiert. Wir haben gespürt, dass er alle Qualitäten hat, sowohl die persönlichen als auch die eines Astronauten.»

Ein Mediziner als Astronaut ist untypisch

Box aufklappen Box zuklappen

Zumindest früher kamen die Astronauten aus dem Militär und waren Testpiloten. Dass mit Marco Sieber ein Arzt Raumfahrer wird, sei eher die Ausnahme, sagt Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher. Man habe aber bewusst auch Mediziner als Kandidaten zugelassen. «Aus gutem Grund: Es kann in der Raumstation Notfälle geben, wo ein Arzt gebraucht wird», erklärt Aschbacher.

«Als Arzt habe ich verschiedene Fächer kennengelernt», sagt Sieber. Er verweist zudem auf seine militärische Erfahrung. Sie zeige, dass er auch schon stressigen Situationen ausgesetzt war. Das helfe auch für den Job als Astronaut.

Die 17-köpfige Klasse beginnt nun im Frühling 2023 die Ausbildung am Europäischen Astronautenzentrum in Köln. Er ist sich bewusst, dass er wohl weniger Kontakt mit «seinen Leuten» in der Heimat haben werde.

Aber es überwiege die Freude auf die neue Ausbildung. «Man lernt die Weltraumforschung kennen, die Systeme der ISS und von den verschiedenen Raketen. Das ist alles wahnsinnig spannend», sagt Sieber.

«Raumfahrt ist extrem inspirierend für Gesellschaft»

Box aufklappen Box zuklappen

Was sagt der künftige Raumfahrer zur Kritik, dass Astronauten der Wissenschaft wenig bringen ? Die Erforschung des Weltalls mit Menschen sei für die Gesellschaft «extrem inspirierend», sagt Sieber. «Es ist im Grundverständnis der Menschheit, neue, andere Sachen zu entdecken und das nicht nur mit einer Kamera eines Roboters, sondern mit den Augen und Gefühlen eines Menschen.» Das sei viel wert.

10 vor 10, 23.11.2022, 21:50 Uhr

Meistgelesene Artikel