Es war ein ziemlicher Coup, der dem Schwyzer Messserschmied Carl Elsener vor 125 Jahren gelang. Er belieferte die Schweizer Armee zwar bereits seit einigen Jahren mit Taschenmessern, die einen Dosenöffner und einen Schraubenzieher zum Zerlegen des Gewehrs enthielten, doch Elsener schwebte ein leichteres, weniger klobigeres Modell vor. Das Ergebnis seiner Tüftelei: Das «Schweizer Offizier- und Sportmesser», die Ursprungsversion des heutigen Sackmessers von Victorinox.
Erfolgsprodukt ruft Nachahmer auf den Plan
Im Sommer 1897 liess er das Modell gesetzlich schützen, in den Jahrzehnten danach begann der Siegeszug des Schweizer Sackmessers. Heute exportiert Victorinox die «Swiss Army Knives» in mehr als 120 Länder.
Doch die Nachahmer sind nicht weit. Sein Unternehmen gebe jährlich einen sechsstelligen Betrag aus, um sich gegen Plagiate zu schützen, sagt Carl Elsener, der Victorinox in vierter Generation führt. «Wir haben in Europa, Nordamerika und Asien je ein Team, das mit den Vertriebspartnern die Märkte überwacht», sagt er. «Sobald irgendwo Kopien auftauchen, gehen wir mit den lokalen Behörden dagegen vor und stellen juristische Konsequenzen in Aussicht.»
Diese Bemühungen zahlten sich aus, so Elsener. «Seit wir so rigoros eingreifen, geht die Zahl der Kopien leicht zurück.» Dennoch verliert das Unternehmen mit Fälschungen Geld – wie viel, dazu macht Victorinox keine Angaben.
Produktpiraten kosten 4,5 Milliarden im Jahr
Fälschungen machen aber auch anderen Firmen zu schaffen. Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) geht davon aus, dass Schweizer Unternehmen 2018 von Produktpiraten um rund 4,5 Milliarden Franken Umsatz betrogen wurden. Betroffen davon ist in erster Linie die Uhrenindustrie: Uhren machen gut die Hälfte des Gesamtwerts der gefälschten Produkte aus.
Gefälscht werden aber auch Haushaltsgeräte, Maschinen, pharmazeutische Produkte und Lebensmittel. Die Palette reicht von qualitativ minderwertigen Plagiaten bis hin zu Produkten, die zwar keine offensichtlichen Täuschungen sind, sich aber deutlich am Schweizer Original anlehnen. So lancierte die britische Ladenkette Poundland 2017 den Schokoladenriegel «Twin Peaks», gegen den die «Toblerone»-Herstellerin Mondelez gerichtlich vorging – und schliesslich gewann.
Die Produktpiraterie schenkt ein: Laut IGE kostet sie in der Schweiz tausende von Arbeitsplätzen.
Schweiz sagt Fälschern den Kampf an
Sie schadet aber auch dem Ruf der Schweizer Industrie. «Wenn sich Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr darauf verlassen können, dass in einem vermeintlich schweizerischen Produkt auch Schweizer Qualität drinsteckt, dann ist das ein Imageverlust», sagt Jürg Herren vom Institut für Geistiges Eigentum.
Das Institut will darum den Kampf gegen die Fälschungsindustrie intensivieren: In Freihandelsabkommen sollen Mindeststandards zur Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten noch mehr Beachtung erhalten.
Schnelle Erfolge seien davon jedoch nicht zu erwarten, sagt Herren. So besteht ein solches Abkommen schon seit acht Jahren mit China – das aber noch immer das Land ist, aus dem die meisten Schweizer Fälschungen stammen. Trotzdem, sagt Herren: «Wir haben nun einen Rahmen, um mit chinesischen Behörden und Wirtschaftsakteuren Probleme anzusprechen und die Situation zu verbessern.»