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Massloses Bauen in Grindelwald Nach dem Boom folgt der Kater

Der Kurort kämpft mit ewigen Baustellen, fehlenden Investoren und Skandalen in der lokalen Politik.

Schaut Adi Bohren, Präsident des «Vereins gegen die masslose Überbauung», von einem Hügel auf Grindelwald, kann er sich kaum zurückhalten: «Da ist unkontrolliert gebaut worden. Man hat gebaut, gebaut, gebaut – wie Pilze nach einem Herbstregen sind die Hütten aus dem Boden geschossen.»

Sogar ausserhalb der Bauzone, auf Grindelwalds Alpen. Aus kleinen Scheunen dort seien Ferienwohnungen geworden, zum Teil luxuriöse, zum Teil ohne Bewilligung. «Ich verurteile, dass wir Bürger in Sachen Bau permanent angelogen werden», stört sich Bohren.

Chalets vor dem Eiger
Legende: Chalets verstellen die Aussicht auf den Eiger in Grindelwald. SRF

Auch auf dem Hügel locken Chalets als Ferienträume. Dazwischen allerdings eine Baugrube, rostiges Eisen. «Dieser Baukran steht seit zwei Jahren still», stellt Bohren fest. Und das ist gegen das Gesetz. Die Ferienwohnungen hätten nur gebaut werden dürfen, wenn gleichzeitig ein Hotel entstanden wäre.

So sind die Regeln für Gemeinden wie Grindelwald, in denen es viel zu viele leerstehende Ferienwohnungen gibt, seit die Schweiz Ja gesagt hat zur Zweitwohnungsinitiative. Denn ein Hotel bringt Gäste, Arbeitsplätze, Leben. Bloss: Einen Investor fürs Hotel hat man bisher nicht gefunden. Viele der Wohnungen sind inzwischen leer – wer will schon neben einer ewigen Baustelle Ferien machen?

Kran in Grindelwald
Legende: Die Überbauung «Bergwelt» in Grindelwald: Hier sollte ein Hotel stehen, bisher hat man aber nur Ferien-Chalets gebaut. SRF

Langes Warten, das kennt auch Tobias Reinhard von der Grand Hotel Regina AG. Das Regina war einst das beste Haus am Platz, seit fünf Jahren aber ist es geschlossen. Spannteppiche erinnern vergangene Zeiten der Modegeschichte, Löcher lassen Boden und Decke aufplatzen.

Auch Tobias Reinhard sucht einen Investor, auch er braucht ein Hotel, damit er neue Ferien-Chalets bauen kann. 150 Millionen Franken will er deshalb ins Regina und seinen Umschwung investieren. Bloss: Vielen Ausländern, die viel Geld haben, seien die Schweizer Gesetze inwischen zu kompliziert. Und zu «sauber», so Reinhard: «Es fängt an mit mehr Transparenz im Bankensektor, so dass nicht mehr viel Schwarzgeld hier ist. Und viele von uns, wie ich, haben nicht realisiert, wie viel in der Schweiz mit Schwarzgeld investiert wird.»

Und so verhandelt der Architekt weiter. Er weiss, dass er die Gemeinde hinhält, wenn er jedes Jahr nur gerade so viel baut, dass seine Bewilligungen nicht hinfällig werden. Er weiss aber ebenfalls, dass sich alle in Grindelwald ein neues Hotel wünschen.

Hotel Regina in Grindelwald
Legende: Seit fünf Jahren ist niemand mehr eingekehrt im Hotel Regina. SRF

Auch Gemeindepräsident Christian Anderegg wünscht sich das. Er hat inzwischen mehr mit Leitungen, Einfamilienhäusern und neuen Bergbahnen zu tun als mit Ferienwohnungen. Die illegalen Verrücktheiten rund um «kalte Betten» seien vorbei, sagt er: «Was jetzt noch gebaut wird, ist nur für Einheimische. Das hat sich also schon beruhigt. Das Bauvolumen ist massiv zurückgegangen.»

Die Ruhe kann der Gemeindepräsident gebrauchen. Es ist nicht lange her, da hat er einen Verweis vom Kanton Bern kassiert. Zu viel geschah in Grindelwald ohne rechtliches Fundament – sogar einen Golfplatz hat man ohne den nötigen rechtlichen Rahmen angelegt.

Grindelwald und seine Chalets
Legende: Das ganze Tal ist in Grindelwald stark verbaut worden. SRF

Dann das Chaos auf der Bauverwaltung: Fünf verschiedene Bauverwalter haben in den letzten Jahren neu angefangen in Grindelwald – und nach kurzer Zeit aufgegeben. Diese Zeiten sind vorbei, sagt Anderegg: «Das Bewusstsein dafür, dass man nicht mehr macht, was man will, sondern nur, was das Gesetz zulässt, ist stark gestiegen.»

Heute habe der Gemeinderat weniger zu sagen beim Thema Bauen, heute unterstützten Fachleute von ausserhalb des Tals die Bauverwaltung. Wenn jetzt noch etwas schief laufe in Grindelwald, dann liege das nicht mehr an der Gemeinde, so der Gemeindepräsident: «Wenn es keine korrekte Bewilligung gibt und die Bauherrschaft sich nicht daran hält, ist die Gemeinde im Prinzip machtlos, bis sie den Bau abnimmt. Die Bewilligungen werden aber korrekt erteilt.»

Und so sei es auch kein Problem, dass fünf von sieben Gemeinderäten aus der Baubranche kommen – wie auch Anderegg selbst. «Die wurden alle vom Volk gewählt, und das Volk wusste genau, aus welcher Branche sie kommen. Die Baubranche ist sehr wichtig in Grindelwald und schafft viele Arbeitsplätze.»

Komplex in Grindelwald
Legende: In Grindelwald wurde so manche Bausünde begangen. SRF

Auf dem kleinen Hügel hinter dem Dorf schüttelt Adi Bohren vom «Verein gegen die masslose Überbauung» den Kopf. Die Gemeinde nehme es inzwischen genauer mit dem Gesetz, das stimme, sagt er. Das liege aber einzig am Druck von aussen, an der Zweitwohnungsinitiative, den Medien und am Kanton Bern, der strenger geworden sei. Zur Freude der jungen Grindelwaldner, die sich das Wohnen im Dorf jetzt wieder leisten können: «Der Trend ist, dass junge Familien hier bauen können. Das ist gut!»

Damit ist auch Gemeindepräsident Christian Anderegg einverstanden: Im Moment baut er Einfamilienhäuser für junge Grindelwaldner.

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