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Massnahme gegen schlechte Luft «Genf hat es verpasst, den ÖV auszubauen»

ETH-Verkehrsexperte Matthias Finger kritisiert das Genfer Fahrverbot bei Smog als Schnellschuss. Es brauche andere Konzepte.

«Genf hat keine andere Wahl, als bei schlechten Luftwerten den Privatverkehr einzuschränken», sagt der Verkehrsexperte Matthias Finger von der ETH in Lausanne. Die Luftqualitätsziele würden von der EU vorgegeben. Und weil sich der Grenzkanton in einer regionalen Vereinbarung zu den Zielen bekannt habe, müsse er jetzt handeln.

Genf habe es verpasst, andere Massnahmen gegen den überbordenden motorisierten Individualverkehr zu ergreifen, sagt Fringer. So sei auf einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs verzichtet worden. Damit aber hätten viele Genfer gar keine Alternative, als mit dem eigenen Auto von A nach B zu fahren.

Schnellschüsse bringen nichts

Immerhin: An Tagen, an denen ein Fahrverbot für gewisse Autos ausgerufen wird, soll der öffentliche Verkehr in der Genfer Innenstadt gratis sein, beschloss die Genfer Regierung. Doch das bringe nichts, kritisiert Finger: «Nur weil er gratis ist, wird der ÖV nicht besser.» Die Leute wären laut Fringer gerne bereit, etwas dafür zu bezahlen – wenn sie dafür auch auf ein besser ausgebautes ÖV-Netz zugreifen könnten.

Ob die in Genf beschlossenen Fahrverbote bei schlechter Luftqualität in anderen Schweizer Städten Schule machen könnten, bleibt gemäss Finger offen. Viel wichtiger als solche Schnellschüsse wären seiner Ansicht nach sowieso Bemühungen, den Autofahrern gute Alternativen – wie einen besseren öffentlichen Verkehr – anzubieten.

Bundesrat will keine Fahrverbote

Auf nationaler Ebene sind Einschränkungen des privaten Verkehrs bislang chancenlos. So hat der Bundesrat in den letzten Jahren zwei entsprechende Motionen abgelehnt. Er begründete dies damit, dass Einschränkungen im Privatverkehr nicht gewünscht und auch nicht umsetzbar seien.

Die Politik wagt sich gar nicht, zu handeln.
Autor: Matthias Finger Verkehrsexperte an der ETH Lausanne

Dies zeige ein grundsätzliches Phänomen, sagt Fringer: Die Probleme mit der Luftverschmutzung durch den Verkehr zeigten sich in den Ballungsgebieten, also in Städten und Agglomerationen. Deshalb würden sich Staatsregierungen – nicht nur in der Schweiz – zurückhalten, in diesem Bereich Verbote zu erlassen.

Hinzu kommt, dass Einschränkungen im Individualverkehr bei der Bevölkerung äusserst unbeliebt sind. Deshalb gehöre es schon fast zur Taktik der Politik, auf Smogsituationen zu hoffen – damit der Verkehr eingeschränkt werden dürfe. «Die Politik wagt sich – auf Druck der Bevölkerung – gar nicht, zu handeln. Sie hofft, dass Smog eintritt, damit man handeln kann.»

Wie genau nehmen es die Genfer mit dem Smog?

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In den letzten Jahren wurden in Genf an jeweils rund zehn Tagen pro Jahr Smogalarm ausgerufen. ETH-Professor Fringer zweifelt jedoch an, dass die Schadstoffe in der Luft tatsächlich an bloss so wenigen Tagen die entsprechenden Grenzwerte überschritten. So gebe es auf der anderen Seite der Grenze in Frankreich viel mehr Tage, an denen eine Smogsituation deklariert werde. «Man müsste überprüfen, ob nicht auch in Genf an viel mehr Tagen pro Jahr eigentlich Smog herrschen würde», so Finger.

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